Frage an Katja Mast von Wolfgang M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Frau Mast,
nach der Zustimmung zur Vorratsdatenspeicherung haben Sie sich sicher auch Gedanken gemacht, wie Kriminellen die Umgehungen, wie sie z.B. in der politik-digital erwähnt werden, nicht möglich gemacht werden kann?
http://www.politik-digital.de/edemocracy/netzrecht/cheise_vorratsdatenspeicherung_071108.shtml
Mir scheint es so zu sein, als ob die Mehrzahl der Abgeordneten nicht das Internet kennen. Auch haben sie ja sich selbst ausgenommen und ihre Kritiker, die Journalisten, nicht.
Und ihr IT-Experten-Kollege Jörg Tauss bedauert ja wohl diese Entscheidung?
MfG W.Mantke
Sehr geehrter Herr Mantke,
Sie sprechen das am 9. November 2007 im Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung an, welches gemäß der europäischen Richtlinie zur "Vorratsdatenspeicherung" beschlossen wurde. Die grundsätzlich bis Herbst 2007 umzusetzende Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten und damit auch Deutschland zur Einführung von Speicherungspflichten für bestimmte Telefon- und Internetdaten zu Zwecken der Terror- und Verbrechensbekämpfung für eine Dauer von mindestens sechs und höchstens 24 Monaten.
Die SPD-Bundestagsfraktion nimmt sowohl ihre Verantwortung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung als auch ihre Verpflichtung für Bürgerrechte ernst. Sie hat ihren Vorbehalt gegen die EU-Regelung zur "Vorratsdatenspeicherung" erst aufgegeben, nachdem die Bundesregierung in Brüssel einen zufriedenstellenden Kompromiss erzielt hat, dem letztlich auch das Europäische Parlament zustimmte. Der deutschen Regierung ist es auf europäischer Ebene gelungen, die "Vorratsdatenspeicherung" auf das zu reduzieren, was zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität tatsächlich erforderlich und angemessen ist. Dabei hatten die Initiatoren der "Vorratsdatenspeicherung" auf EU-Ebene mit den anfänglichen Entwürfen weitergehendes vorgesehen: So sollte die Mindestspeicherfrist zwölf Monate betragen. Durch lange und intensive Verhandlung ist erreicht worden, dass es jetzt nur noch sechs Monate sind. In der Praxis bedeutet das, dass die Unternehmen, die die relevanten Daten heute bereits für erhebliche Zeiträume zu geschäftlichen Zwecken aufbewahren, keine wesentlich längeren Speicherungen vornehmen müssen als bisher.
Ursprünglich sollten auch sog. "erfolglose Anrufversuche" gespeichert werden. Damit konnten wir nicht einverstanden sein, denn die Speicherung dieser Daten wäre für die Telekommunikationsunternehmen sehr teuer geworden. Zudem gibt es keinen Bedarf für die Speicherung einer solchen Flut von Daten. Auch dieses Thema ist vom Tisch: "erfolglose Anrufversuche" müssen grundsätzlich nicht gespeichert werden. Ebenfalls gespeichert werden sollten Standortdaten am Ende von Mobilfunkverbindungen. Der Vorschlag wurde gekippt und somit verhindert, dass durch das Anlegen von engmaschigen Bewegungsprofilen in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger eingegriffen wird.
Beim Internet wird schließlich lediglich gespeichert, dass sich der Nutzer online befindet. Es werden ebenfalls Daten zur Internettelefonie und bezüglich der E-Mail-Dienste gespeichert. Inhalte, wie immer behauptet wird, also auch Informationen, welche Websites benutzt werden, werden auch hier nicht gespeichert. Denn Daten, die Aufschluss über den Inhalt einer Kommunikation (z.B. E-Mail oder Telefongespräch oder Seiten, die ein Nutzer aufgerufen hat) geben, dürfen nach der Richtlinie nicht gespeichert werden.
Die Richtlinie enthält Vorgaben für Regelungen zum Datenschutz und zur Datensicherheit, die mit Sanktionen bewehrt werden müssen. Die Sanktionen sollen insbesondere einen unbefugten Zugriff oder Umgang mit den Daten verhindern und die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen sichern.
Die Daten werden - wie bisher - nur beim Telekommunikationsunternehmen gespeichert. Wie bisher schon können Polizei und Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss. Bei allen Berufsgeheimnisträgern gemäß § 53 StPO, dazu gehören u.a. Journalisten, Ärzte und Anwälte, wird der besondere Schutz nicht nur erhalten, sondern sogar ausgebaut. So wird ausdrücklich klargestellt, dass sie in Ermittlungsmaßnahmen nur nach einer sorgfältigen Abwägung im Einzelfall einbezogen werden dürfen. Für Medienmitarbeiter und Journalisten ist sogar ein weitergehendes Beweisverwertungsverbot bei Zufallsfunden gemäß § 108 Abs. 3 StPO-E aufgenommen worden. Seelsorger, Strafverteidiger und Abgeordnete werden durch umfassende Erhebungs- und Verwertungsverbote bei allen Ermittlungsmaßnahmen besonders geschützt. Aufgrund ihrer verfassungsrechtlich besonderen Stellung werden sie von allen strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen ausgenommen, die sich auf die ihnen in dieser Eigenschaft anvertrauten Informationen und Umstände der Informationsvermittlung beziehen.
Inwieweit Kriminelle die beschlossenen Maßnahmen so leicht umgehen können, wie auf dem von Ihnen erwähnten Internetportal beschrieben, ist mehr als fragwürdig. Das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung wurde vom Bundesjustizministerium hinsichtlich einer wirksamen Verbrechensbekämpfung vorab entsprechend geprüft.
Irland hält die Richtlinie nicht für die richtige Grundlage und hat beim Europäischen Gerichtshof Klage erhoben. Ob die Klageerhebung zum Schutz von Bürgerrechten erfolgte, darf bezweifelt werden: Irland hat derzeit bereits eine Vorratsdatenspeicherfrist von 36 Monaten.
Wie schon auf europäischer Ebene behalten wir auch auf nationaler Ebene bei der Umsetzung der Richtlinie den sachgerechten Interessenausgleich zwischen den Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger und dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung im Blick und sorgen für eine Speicherung mit Augenmaß.
Zur Einschätzung meines Kollegen Jörg Tauss bitte ich Sie, sich an ihn persönlich zu wenden.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen konnte und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Katja Mast MdB