Frage an Katja Mast von Dr.Susanne K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Mast,
mit Wirkung zum 28.12.2011 wurden mit dem "Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt" die Voraussetzungen für den Bezug von Gründungszuschuss (Unterstützung von arbeitslosen Existenzgründern) deutlich verschlechtert, obwohl dieses Instrument laut IAB eines der wirkungsvollsten der Bundesagentur für Arbeit war. Die Bundesagentur hat mit einer Geschäftsanweisung die Kriterien nochmals deutlich verschärft. So gilt etwa ein "Vorrang für Vermittlung", d.h. sobald eine Stelle nachgewiesen werden kann, wird kein Zuschuss gewährt - dass dies gerade diejenigen Gründer benachteiligt, die sich in florierenden Branchen (z.B. IT) selbständig machen wollen, sei nur am Rande angemerkt.
Ich berate im Auftrag der Stadt Bretten seit elf Jahren Existenzgründer und arbeite sehr gut mit den Arbeitsagenturen in der Region zusammen. Von den Beraterinnen habe ich erfahren, dass es (offensichtlich auf Bundesebene) eine nicht dokumentierte interne Anweisung der Agentur gibt, überhaupt keine Anträge mehr zu genehmigen. Belegt wird dies auch durch die Monatsstatistik der Agentur, die für Februar 2012 einen Rückgang der Neuzugänge um über 80% gegenüber Februar 2011 belegt und das, obwohl im Haushalt der Bundesagentur eine Mrd. Euro (gegenüber 1,3 Mrd. im Vorjahr) eingestellt ist.
Mich würde interessieren, ob es im Ausschuss für Arbeit und Soziales, in der Fraktion der SPD oder an anderer Stelle Initiativen gibt, diese Situation zu verbessern. Ich hatte bei meinen Beratungen seit Inkrafttreten des Gesetzes schon einige potentielle Gründer/innen mit erfolgversprechenden Projekten, deren Vorhaben durch den Wegfall des Gründungszuschusses nicht durchführbar war.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Susanne Kretschmann
Sehr geehrte Frau Dr. Kretschmann,
vielen Dank für Ihr Schreiben zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und zum Gründungszuschuss.
Ich teile Ihre Kritik an der Entscheidung der Bundesregierung, den Gründungszuschuss von einer Pflicht- in eine Ermessensleistung zu verwandeln. Mit der Neuregelung wird jetzt vor Ort entschieden, ob ein Arbeitsloser die Förderung erhält oder nicht. Wenn man jedoch parallel die Eingliederungsmittel kürzt, ist die Umwandlung von Pflicht- in Ermessen im Grunde jedoch eine Abschaffung der Förderung. Wenn kein Geld vorhanden ist, tendiert man eher zur Ablehnung der Förderung. Die von Ihnen genannten Zahlen belegen dies. Auch mich als zuständige Berichterstatterin der SPD erreichen zahlreiche Meldung darüber, wie schwierig die Situation vor Ort geworden ist. Im parlamentarischen Verfahren hat die SPD den Gesetzentwurf der Bundesregierung klar abgelehnt und sich in einem eigenen arbeitsmarktpolitischen Antrag für den Erhalt des Gründungszuschusses als Pflichtleistung ausgesprochen. Gerne sende ich Ihnen den Antrag zu. Darüber hinaus haben wir uns auch gegen die Verkürzung des Förderungszeitraums im SGB III ausgesprochen, da eine angemessene Zeitdauer zum Aufbau und zur Stabilisierung einer selbstständigen unternehmerischen Existenz einfach notwendig ist. Gerade für Frauen, die am Anfang der Selbständigkeit weniger verdienen, sind die Hürden nun erneut erhöht worden. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass der Gründungszuschuss auch eng mit dem Gründungscoaching verknüpft ist. Fällt der Gründungszuschuss weg, fällt nun auch die Förderung beim Gründungscoaching deutlich geringer aus. Auch das ist eine Hürde, die den Gang in die Selbständigkeit erschwert. Der auch von Ihnen angesprochene IAB-Kurzbericht hat erneut klargestellt, dass der Gründungszuschuss ein sehr erfolgreiches Instrument wahr. Über 80% derjenigen, die sich mit dem Zuschuss selbständig gemacht haben, waren auch anderthalb Jahre später noch selbständige Unternehmer. Viele von ihnen sind auch selbst als Arbeitsgeber aktiv geworden.
Vor dem Hintergrund der zahlreichen Praxisberichte sowie dem IAB Bericht zum Gründungszuschuss haben wir die Bundesregierung im Ausschuss für Arbeit und Soziales mit den Folgen ihrer massiven Kürzungspolitik konfrontiert. Trotz der positiven Evaluation sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf und ist nicht bereit, Änderungen beim Förderinstrument auf den Weg zu bringen. Eine bittere Erkenntnis für die arbeitslosen Männer und Frauen, die sich selbständig machen wollen. Weil chancengerechte Arbeitsmarktpolitik anders aussieht, wird sich die SPD-Bundestagsfraktion auch weiterhin für Änderungen beim Gründungszuschuss einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Mast