Portrait von Katja Kipping
Katja Kipping
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Katja Kipping zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Jan W. •

Frage an Katja Kipping von Jan W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kipping,

ich habe festgestellt, dass die Detailkenntnis der Abgeordneten der Hartz IV-Parteien was die Hartz-Gesetze anbelangt, begrenzt ist. Darum schildere ich Ihnen folgenden Fall, der mir zugetragen wurde.
Jemand hat vor kurzem einen ALG2-Antrag gestellt, worauf ihm die zuständige ARGE mitteilte, seine Wohnkosten seien nicht angemessen, deswegen werde ein Termin festgelegt, an dem beraten werden würde, wie die Wohnkosten eventuell zu senken seien. Das Problem sind nicht die Quadratmeter, sondern die Baualtersklasse. Die Wohnung ist zu alt und deswegen um 63 Euro zu teuer. Zwischenzeitlich erfährt der Mieter, dass sein Vermieter aufgrund von Renovierungsarbeiten an der Fassade die NKM, für den Zeitraum der Renovierung um 43 Euro gesenkt hat. "Super" denkt sich der ALG2-Bez., jetzt ist die NKM ja erstmal nur noch 20 Euro zu teuer. Fast zeitgleich teilen ihm die örtl. Wasserwerke mit, dass er so sparsam war, dass der monatl. Abschlag nunmehr um 13 Euro gesenkt werden könne. Die spart die ARGE also auch noch, denn natürlich denkt der brave ALG2-Empf. an seine "Mitwirkungspflicht", und setzt die ARGE ohne Verzögerung davon in Kenntnis. Beim angesetzten Termin mit dem zust. Sachbearbeiter wird allerdings dann kaum ein Gespräch geführt, und dem ALG2-Empf. wird ein Schrieb ausgehändigt, der besagt, dass er seiner Mitwirkungspflicht erst nachgekommen ist, wenn er die Mietminderung(!) durch die entspr. Dokumente belegt hat. Wenn er dieser Aufforderung nicht binnen knapp 2 Wochen nachkomme, werde die Leistung ganz gestrichen. Die zuständ. ARGE hat übrigens sämtl. wesentl. Dokumente, die die normale Miete belegen, als Kopie in der dazugehörigen Akte. Und der Sachverhalt, der zur vorübergehenden Mietminderung führte, wurde der ARGE explizit schriftl. geschildert. Also,wenn man als ALG 2- Bez. seiner ARGE solche Kostensenkung nicht mitteilt, läuft man Gefahr, dass die Leistung gekürzt wird und wenn man es macht, ist die Gefahr genau so groß. Was gilt denn nun?

MfG,JW

Portrait von Katja Kipping
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Wulf,

vielen Dank für Ihre Zuschrift. Die LINKE. gehört allerdings nicht zu den sog. Hartz-Parteien - zum einen haben wir uns immer gegen dieses Gesetzespaket ausgesprochen und seit es nun - leider - in Kraft ist, kämpfen wir für eine Überwindung - vor allem von Hartz IV - und das haben wir auch u.a. in parlamentarischen Initiativen gefordert. Folgende Punkte möchte ich aber zu Ihrer Anfrage anmerken:

1. Eine Aufforderung zur Mietkostensenkung darf erst nach sechs Monaten ergehen; vorher sind die tatsächlichen Kosten zu tragen.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes gilt die sog "Produkttheorie", d.h. wichtig sind die Gesamtkosten.

3. Die tatsächliche Aufforderung zur Mietkostensenkung steht unter Vorbehalten; rechtlich zulässig ist sie nur, wenn es nicht unzumutbar ist, wenn es tatsächlich Wohnraum zu der als "angemessen" angesehenen Miethöhe gibt etc. Die Einschränkungen sind z.B. in den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge ausgeführt; leider kennen nicht alle Behörden diese Empfehlungen bzw. halten sich nicht daran; insofern sollten Sie oder Ihr Bekannter einen Sachverständigen vor Ort fragen - eine Liste mit Beratungsstellen findet sich z.B. auf : http://www.my-sozialberatung.de/adressen

4. Üblicherweise reduziert die ARGE schlicht und einfach die Überweisungen auf die Höhe der angemessenen Miethöhe; das ist je nach Einzelfall dramatisch und problematisch genug (weil die Leistungen für die Existenzsicherung so noch einmal reduziert werden); die Androhung einer Sanktionierung durch Leistungsreduktion oder gar -einstellung ist im SGB II wegen Mietkosten nicht vorgesehen (vgl. § 31 SGB II).

Meine Fraktion im Bundestag plädiert übrigens für eine stärkere Rechtsverbindlichkeit der unter 3. genannten Empfehlungen und hat einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht, den ich Ihnen im Anhang übermittle.

Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping