Frage an Katja Kipping von Jens P. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Kipping,
das SGB IX legt fest, dass nur Personen die vor dem 01.01.1961 geboren wurden einen vollen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente haben. Leider gehöre ich zu den Jahrgängen die in der "Wendezeit" (Nov. 1989) ihren Grundwehrdienst absolvierten. Diesen beendete ich vorzeitig habe aber seitdem gesundheitliche Probleme. Ich konnte keine Absicherung für meine Arbeitskraft treffen (Berufsunfähigkeitsversicherung), musste meinen erlernten Beruf deswegen aufgeben und konnte aus diesen gesundheitlichen Gründen auch nur eingeschränkt andere Tätigkeit über 13 Jahre ausüben.
Der zuständigen Rententräger lehnte meine Rentenanträge immer wieder ab. Er bot mir Wiedereingliederungsmaßnahmen an welche ich annahm und immer wieder aus angeführten gesundheitlichen Gründen abbrechen musste.
Ist eine Änderung des Datums (01.01.1961) nicht möglich?
Wer wusste bzw. hatte gleich die Möglichkeit, in diesen Zeitraum, sich gesundheitlich und beruflich voll abzusichern?
Ich sehe mich durch diese Datumsbegrenzung zu einen sozial Fall werden.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Parsiegla,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Berufsunfähigkeitsversicherung/Erwerbsminderungsrenten. Sie sprechen die zum 01.01.2001 geänderte Rechtslage in den §§ 43 und 240 SGB VI an. Mit dem Stichtag 01.01.2001 wurde die Berufsunfähigkeitsrente abgeschafft und statt dessen die halbe bzw. volle Erwerbsminderungsrente eingeführt. Aus Gründen des sogenannten Vertrauensschutzes verfügen Versicherte, die bis zum 01.01.2001 das 40. Lebensjahr vollendet hatten weiterhin über vollen Schutz im Falle einer Berufsunfähigkeit. Für die nach dem 01.01.1961 Geborenen bedeutet diese Veränderung aber, dass sie im Falle von Berufsunfähigkeit nur durch den Abschluss einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung vorsorgen können. In diesem Zusammenhang erkenne ich in der Tat eine deutliche Benachteiligung der später Geborenen und hätte eine deutlich andere Lösung präferiert. Wie auch immer z.B. in den einschlägigen Fachmagazinen zu lesen ist, sind umfassende private Versicherungen zum einen sehr teuer und zum anderen ist es teils mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, überhaupt eine solche Versicherung zum Abschluss zu bringen. Insofern verfügen viele Bürger/ -innen nicht über einen entsprechenden Schutz - weil sie ihn sich einfach nicht leisten können und/oder keinen Vertrag bekommen.
Allerdings ist unser Handlungsspielraum im Hinblick auf die von Ihnen gewünschte Datumsänderung recht begrenzt: Bei gerichtlichen Überprüfungen wurden derartige Stichtagsregelungen für rechtmäßig erklärt - vielleicht erinnern Sie sich an die kürzlich stattgefundende Debatte zur Einführung des Elterngeldes, dort lag das Problem ähnlich. Die Gerichte stellen regelmäßig fest, dass durch Stichtagsregelungen nicht gegen das verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlungsgebot in Art 3 Abs. 1 Grundgesetz verstoßen wird. Das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmen mehrerer Entscheidungen u.a. ausgeführt, dass zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage eingeführt werden können, obwohl durchaus anerkannt wird, dass diese Stichtagsfestsetzungen unvermeidlich gewisse Härten und Benachteiligungen mit sich bringen. Ungleichheiten, die durch einen Stichtag entstehen, müssen laut Bundesverfassungsgericht also hingenommen werden, wenn die Einführung eines solchen notwendig und die Wahl des Zeitpunktes, orientiert am gegebenen Sachverhalt, vertretbar erscheint.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping