Frage an Katja Kipping von Kieran H. bezüglich Innere Sicherheit
Warum will ihre Partei den Verfassungsschutz abschaffen?
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Frage. Aus unserer Sicht stellen Geheimdienste einen Fremdkörper in einer Demokratie dar. Die Dienste haben weitreichende Befugnisse, sie dürfen Telefone und Wohnungen abhören, Emails mitlesen und V-Personen einsetzen. Diesen Befugnissen steht, anders als im Bereich der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr, durch die Polizei und Ermittlungsbehörden keine effektive Kontrolle gegenüber, da diese Geheimhaltungsinteressen untergeordnet werden.
Die diversen Geheimdienstskandale zeigen, dass die Arbeit der Dienste nicht nur juristisch unkontrollierbar ist, sondern sich auch einer effektiven parlamentarischen Kontrolle entzieht. Die verschiedenen Untersuchungsausschüsse z.B. zum NSU-Komplex haben teilweise untragbare Zustände zu Tage gefördert, ohne dass dies je Konsequenzen für die beteiligten Geheimdienste gehabt hätte. Es wurden vorsätzlich Akten vernichtet, andere Unterlagen wurden bis zur Unkenntlichkeit geschwärzt, Mitarbeiter der Dienste haben die Parlamentarier belogen oder versucht, sich Befragungen zu entziehen. Die nach jedem Skandal versprochenen Reformversuche sind ohne Ausnahme ins Leere gelaufen.
Im Bereich des Rechtsterrorismus hat sich gezeigt, dass die angeworbenen, teils hochkriminellen V-Leute vor Strafverfolgung geschützt wurden und V-Personenhonorare wieder zurück in die Naziszene geflossen sind. Deswegen hat bereits in den 1990er Jahren das Bundeskriminalamt vor einem „Brandstiftereffekt“ gewarnt, den die Geheimdienste verursachen.
Aus diesem Grund meinen wir, dass die Aufklärung von politisch motivierten Straftaten in die alleinige Zuständigkeit der Ermittlungsbehörden und ihrer Hilfsbehörden gehört, die dem Legalitätsprinzip unterliegen. Die Forschung über demokratiegefährdende Bestrebungen sollte durch Universitäten und fachlich qualifizierte Institute geleistet werden. Prävention und lokale Demokratiearbeit gehört in die Hände der demokratischen Zivilgesellschaft und ihrer Initiativen.
Freundliche Grüße
Katja Kipping