Portrait von Katja Kipping
Katja Kipping
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Katja Kipping zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Frank B. •

Frage an Katja Kipping von Frank B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Abend Frau Kipping,

vielleicht können sie sich noch an mich erinnern. Ich bin Rollstuhlfahrer, 26 Jahre alt und bin schon bei Wahlkampfveranstaltungen in Dresden oder der Premiere von „Der junge Karl Marx“ in der Schauburg mit Ihnen ins Gespräch gekommen. Häufig ging‘ es dabei um den harten und langen Kampf für meine EU-Rente und die unsäglichen Schikanen, welche ich in einer Bedarfsgemeinschaft einstecken musste, diesmal aber um mein Empfinden nach der bitteren Landtagswahl Sachsens heute...

Der Rechtsruck in unserem Bundesland erschüttert mich zutiefst... Sie sprachen heute Abend in der ARD davon, dass die Linke vermutlich viele Wähler an die CDU und auch die Grünen verloren hat, weil diese um jeden Preis eine Regierungsbeteiligung der AfD verhindern wollten.

Das Paradoxe dabei aus meiner Sicht: Genau dies wollte ich mit meinen Stimmen für Ihre Partei auch, aber ebenso lege ich Wert darauf, meine Ideale zu Erhalten. Bei der CDU würde ich sie ja regelrecht verraten.

Ferner zeigt sich anhand der Wahlergebnisse nach Berufen, dass einfache Arbeiter und Arbeitslose den größten Anteil der AfD- Wähler ausmachen, also eigentlich genau das Klientel der Linken, was von mehr sozialer Gerechtigkeit gerade profitieren würde.

Meine These wäre hier, die mangelnden Möglichkeiten der Linken in die Regierung zu Gehen, daher erhoffen sie sich aus einer gewissen Verzweiflung heraus, mehr Chancen mit einer evtl. Schwarz/Blauen Koalition, um endlich nicht mehr der „abgehängte Osten“ zu Sein. Dabei erkennen sie leider nicht, die wahren rechtspopulistischen und neoliberalen Absichten dieser Partei und das Migration nur eine „Placebo-Ursache“ ist, aber nicht der tatsächliche Grund für Ihre Probleme.

Was ist Ihre Meinung hierzu und wie glauben Sie, können diese beiden Wählergruppen wieder besser abgeholt werden?

Bitte verlieren Sie nicht den Mut, ich halte Sie für ein großartige und sympathische Politikerin.

Liebe Grüße
F. B.

Portrait von Katja Kipping
Antwort von
DIE LINKE

Lieber Herr B., lieber Frank,

ja, ich erinnere mich an unsere Gespräche in Dresden. Deswegen erlaube ich mir einfach mal das „Du“. Ich hoffe, das ist in Ordnung. Das Wahlergebnis in Sachsen wie auch das in Brandenburg ist bitter und sollte der Beginn einer kritischen und selbstkritischen Diskussion über Strategien und eine Neuaufstellung der Partei sein. Wir erleben seit einiger Zeit den Umbruch des Parteiensystems in Deutschland und in Europa. Wir erleben die massive Rückkehr autoritärer, extrem rechter und teilweise faschistischer Parteien in vielen Teilen Europas. Und das verändert auch die Voraussetzungen unserer Politik.

Denn auch wenn wir den Umfragen zu Folge zwar nach wie vor als DIE „Stimme des Ostens“ und „als Kraft der sozialen Gerechtigkeit“ wahrgenommen werden, spielte das bei den Wahlentscheidungen diesmal letztlich kaum eine Rolle.

Ich glaube, dass der Versuch, die AfD als stärkste Kraft zu verhindern und in Sachsen eine Regierungsbildung ohne AfD zu ermöglichen, vielfach zu unseren Lasten gegangen ist. Diese veränderte Situation erfordert auch neue Strategien. Anders kann ich es mir zumindest bisher nicht erklären, dass wir in Sachsen an keine Partei so viele Stimmen verloren haben wie an die CDU.

Diese Konstellation wird sich vermutlich nicht kurzfristig ändern. Sie ist aber gefährlich, weil eine solche Politik des kleineren Übels schädlich für die Demokratie ist und die politische Phantasie abstumpft. Wie man unter diesen Bedingungen unseren Ideen Geltung und Durchsetzungsperspektive verschaffen kann, werde ich mit allen, die Willens sind, diskutieren und umsetzen.

Viele Grüße

Katja Kipping