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Frage von Georg S. •

Frage an Katja Kipping von Georg S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kipping,

als vom Bürger gewähltes Mitglied des Bundestages(MdB) vertreten Sie die Wünsche der Bürger mit Ihrer Stimme im Parlament.

Ihre Vertretung drückt sich - unter anderem - darin aus, dass Sie Entscheidungen für die Bürger treffen und zwar im besten Fall tatsächlich zum Wohl (Wohlergehen) der Bürger z.B. höhere Renten, bessere Versorgung in der Medizin, höherer Mindestlohn, etc, etc, und im schlechtesten Fall nur zum vermeintlichen Wohlergehen oder bewusst zum Nachteil der Bürger, z.B. Rentenkürzungen, Leistungsabbau der gesetzlichen Krankenkassen, Abschaffung Mindestlohn, Steuererhöhungen etc. etc. . Die jeweiligen Gründe für die Entscheidungen sollen hier keine Rolle spielen.

Diese Entscheidungen werden im Rahmen von Gesetzen getroffen, über die im Bundestag jeder Abgeordnete mit Ja oder Nein oder Enthaltung abstimmen kann. Durch die Gesetze wird der Vollzug der darin entahltenen Maßnahmen und Vorgaben möglich und kann von staatlicher Seite auch mit Zwangsmaßnahmen (Exekutive) durchgesetzt werden.

1. Frage:
Sind meine Ausführungen insoweit richtig?
2. Frage:
Legen Sie Ihren Entscheidungen (Abstimmungsverhalten) und legt Ihre Fraktion und legt der Bundestag (Summe aller Abgeordneten) den Entscheidungen (Abstimmungsverhalten) generell wissenschaftliche Studien und Ausarbeitungen, sowie Expertenanhörungen etc. zugrunde, um die Auswirkungen eines Gesetzes/Beschlusses auf die Bürger möglichst umfassend und tatsachenorientiert im Vorhinein beurteilen und bewerten zu können?
3. Frage:
Falls ja, ist dies so vorgeschrieben, oder obliegt es allein dem Abgeordneten, der Fraktion, dem Parlament, Sachverständigen Know How der Entscheidung/dem Abstimmungsverhalten zugrunde zu legen?
4. Frage:
Müssen Sie, Ihre Fraktion, das Parlament die Wünsche von Lobbyisten, insbesondere großen Wirtschaftsunternehmen, bei Ihrer Entscheidung (Abstimmungsverhalten) berücksichtigen?

Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen
G. S.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Fragen. Das Grundgesetz formuliert in Art. 38 knapp und prägnant: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages [...] sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Insofern: Nein, kein Abgeordnete/r ist an Entscheidungen der Fraktion oder Lobbyistenwünsche gebunden, sondern er oder sie ist nur dem eigenen Gewissen verpflichtet.

Sicher fragt man sich gelegentlich: Mag manche/r Abgeordnete/r insbesondere der Regierungsfraktionen gelegentlich auch Auswirkungen einer Entscheidung auf Karrierechancen als StaatssekretärIn oder MinisterIn mitdenken? Oder angesichts der Spendenskandale von AfD, CDU und FDP der jüngeren Geschichte: Wie viel Gehör kann Geld verschaffen?

Meine Beobachtung ist aber, dass der Regelfall oft viel trivialer ist und sich die Erwägungen von Abgeordneten der Regierungsfraktionen oft gar nicht so sehr von anderen Menschen, die der oberen Mittelschicht angehören, unterscheiden.

Kaum ein Abgeordneter der Regierungsfraktionen musste vor seiner oder ihrer Wahl vom Mindestlohn leben. Vermutlich kennt er oder sie mehr Menschen, die diesen als Arbeitgeber zahlen müssen, als jene, die von ihm leben müssen. Kaum ein Abgeordneter hat als Alleinerziehender schon mal eine Hartz-IV-Sanktion bekommen oder weiß wirklich, was das heißt. Vermutlich kennt er aber Menschen, die abfällig über von Armut betroffene Menschen reden.

Die meisten Abgeordneten sind vermutlich von dem, was sie entscheiden, überzeugt. Die Frage ist also: Welche eigenen Erfahrungen bringen Abgeordnete mit und welche haben sie auf dem Schirm? Wie offen versuche ich mich anderen Perspektiven auszusetzen? Sicher bemühen sich viele redlich, die unterschiedlichen Interessen abzuwägen.

Aber ob man z.B. beim Mietendeckel daran denkt, dass dies vielen die Sicherheit gibt, die Miete auch im nächsten Jahr noch zahlen zu können oder ob man über die eventuell entgangenen Mehreinnahmen als Vermieter nachdenkt, ist eben immer eine Frage der Perspektive.

Werden wissenschaftliche Gutachten zu wenig berücksichtigt? Klar, auch hier gibt es krasse Fälle, wie den des Abgeordneten und Verkehrsministers Andreas Scheuer, vor dessen millionenschwerem Mautdebakel ihn mehrere Gutachten gewarnt haben. Aber in vielen Fällen gehen eben auch die Meinungen der Wissenschaft weit auseinander. Und so wie die meisten Abgeordneten eine bestimmte Perspektive auf die Welt haben, haben auch die sachverständigen Wirtschafts- oder JuraprofessorInnen, die im Ausschuss gehört werden, eine solche.

Freundliche Grüße

Katja Kipping