Frage an Katja Kipping von Christoph H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Kipping,
auf der Demo "Unteilbar" am 24.8.19 in Dresden sagten Sie öffentlich:
(1) "Wir leben in Zeiten, in denen Rassismus und rechte Hetze das gesellschaftliche Klima vergiften, in dem rechtsterroristische Netzwerke Todeslisten erstellen. Und wir wissen inzwischen, dass so mancher Rechtsterrorist enge Verbindungen zur AfD hat."
(2) "Der Mörder des hessischen Regierungspräsidenten Lübke, Stephan E., hat an die AfD gespendet, hatte immer mal wieder Reden von AfD-Höcke gelauscht."
(3) "Und deswegen müssen wir auch eins ganz deutlich wissen und immer wieder daran erinnern: hinter jedem AfD-ler im Anzug kann ein Nazi mit Waffe stehen, der schießt und deshalb gilt: null Toleranz für Nazis."
zu (1) Kann man Ihre Aussagen in polizeilichen Berichten o.ä. nachlesen?
zu (2) Verwenden Sie hierbei nicht dieselbe Rhetorik, die von Der Linken kritisiert wird? (Als Bsp.: 'Der Mörder der XY (Name einer ermordeten jungen Frau) ist Migrant und besuchte die Moschee in X' in einem Satz nennen und damit eine Verbindung herstellen.)
Wäre Die Linke dann nicht auch für die Straftaten der Antifa "verantwortlich"?
zu (3) Warum begeben Sie sich auf dasselbe Niveau herab, wie Leute, die bei jedem Migranten einen Messerstecher oder Vergewaltiger befürchten?
4. Es gibt auch jüdische Mitbürger, die sich in der AfD engagieren. Sind diese in Ihren Augen Nazis?
5. Ich finde, der inflationäre Gebrauch des Wortes "Nazi" ist ein Schlag ins Gesicht aller von den Nationalsozialisten Ermordeten und Geschädigten. Wie sehen Sie das?
Mit freundlichen Grüßen
C. H.
Lieber Herr Hermann,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Mit Verlaub - dass die AfD-Fraktion Terrorverdächtige im Bundestag beschäftigt, AfD-Mandatsträger sich mit extrem rechten Preppern in Chatgruppen vernetzen, ist mittlerweile so weithin bekannt und vielfach belegt, dass mir diese Frage ehrlich gesagt etwas scheinheilig vorkommt.
Die Kumpanei von AfD-Funktionären mit Nazis findet sich auf allen Ebenen, kommunal, auf Landesebene und auch in der AfD-Bundestagsfraktion. Der Beiträge sind es zu viele, als dass ich sie alle auflisten könnte. Nehmen Sie einfach die beiden recht neuen Beiträge als Ausgangspunkt für weitere Information:
https://taz.de/Rechter-Terror-in-Deutschland/!5608261
Dies hat nichts mit Kontaktschuld zu tun, sondern bezieht sich eben auf eigenes Handeln der jeweiligen Protagonisten.
Dieses Handeln offen zu benennen und darauf hinzuweisen, dass man als AfD-Mitglied in einer Partei mit Nazis ist, heißt nicht, jedes einzelne Mitglied als Nazi zu bezeichnen. Das habe ich auch nirgends getan. Die Behauptung des inflationären Gebrauchs des Begriffs Nazis ist schlich ein Phantasma.
Ein Schlag ins Gesicht der Opfer von neuen und alten Nazis wäre es, wenn man aus Furcht vor dem Vorwurf von Rechtsaußen, man würde „die Nazikeule schwingen“ Menschen, die Naziparolen äußern oder so jemanden wie Stephan Ernst, ein Mitglied einer Gruppierung namens Combat18 (Kampfgruppe Adolf Hitler), die politische Morde begehen, nicht mehr als Nazis bezeichnet.
Ich kenne niemanden aus der Gruppierung „Juden in der AfD“, aber die Religionszugehörigkeit einiger Mitglieder sagt nun wirklich nichts darüber aus, ob eine Partei rassistische, nationalistische oder auch antisemitische Positionen vertritt. Im Gegenteil, die antisemitischen Reaktionen von einigen Mitgliedern und Mandatsträgern der Partei, die von einer „zionistischen Lobbyorganisation, die den Interessen Deutschlands und der Deutschen zuwider“ laufe, schwadronierten, hat offengelegt, dass es neben einem grassierenden Rassismus auch einen erheblichen Antisemitismus in der AfD gibt.
Herzliche Grüße
Ihre Katja Kipping