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Frage von Rainer W. •

Frage an Katja Kipping von Rainer W. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Kipping,

Ich möchte niemals fremdes menschliches Gewebe oder Organe erhalten und halte diese Behandlung aus medizinischer Sicht, nicht nur für völlig ungeeignet, sondern i.d.R. für extrem schädlich. Auch soll kein Mensch sein Leben auf diese schrecklichste Art und Weise, durch Zerstückelung wie auf einem Schlachttisch, verlieren und bis hin zu Knorpelstücken oder Kniegelenken verpackt und verschickt werden.

Die Verdinglichung des Menschen als Medikament, ist für mich der absolute Maßstab von Menschenunwürdigkeit.
Tatsächlich gibt es Menschen, die gegen eine Zerstückelung Ihres Körpers nichts einzuwenden haben, auch nicht gegen den Einbau von fremden Geweben und Organen.

Beide Einstellungen lassen sich verbinden, wenn Menschen sich als Spender registrieren lassen könnten und für jedes Jahr seit der Erklärung der Spendebereitschaft, Punkte kriegen würden, für eine bevorzugte Organ-/Gewebezuteilung im Bedarfsfall. Organerkrankten, die nicht registriert sind, aber aus speziellen Gründen kurzfristig ein Organ/Gewebe brauchen, könnten nach Ihrer Registrierung sofort Zugang zu der Vergabe haben, z.b. durch ein Notfallkontingent auch ohne gesammelte Punkte. Als "Geschlossener Club" gibt es viele Möglichkeiten des Kennenlernens, was die Erfolgsaussichten einer Übertragung, durch bekannte Menschen, erhöht.
Bei denen, die nicht registriert sind bzw. sich bei einer Erkrankung auch nicht registrieren wollen, soll es bei Strafe verboten sein, Organe/Gewebe als Therapie zu verabreichen oder auch zu entnehmen. Dies kommt all den Menschen zugute, die befürchten, im bewußtlosen Zustand nicht widersprechen zu können und nach einer OP mit fremden Organen/Geweben aufzuwachen.

Der amtierende Präsident der Ärztekammer hat dieses Prinzip thematisiert https://www.waz.de/politik/aerztepraesident-organspende-bereitschaft-mit-vorzug-belohnen-id226233671.html .
Wurde dieses Vorgehen diskutiert bzw. welche Erfolgsaussichten würden Sie diesem Vorgehen geben?

mfg

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für Ihre Frage und Ihre Gedanken zu diesem Thema. Ihre Position zum Thema Organ- und Gewebespende respektiere ich, ich teile sie aber nicht. Ich sehe die Organspende und Gewebespenden primär unter den Aspekten der medizinischen Heilbehandlung mit allen ethischen Grundsatzfragen, die dies aufwirft.

Die Organspende ist ein schwerer medizinischer Eingriff, auf Seiten des Spendenden zudem fremdnützig. Die Schwere des Eingriffs jedoch ist nicht für Organspenden spezifisch, er trifft auch für viele andere Eingriffe zu, für die ich die von Ihnen gewählten Metaphern aus Fleischverarbeitung gleichermaßen ungeeignet halte. Jede Öffnung des menschlichen Leibs durch einen anderen ist eine Körperverletzung. Als ärztlicher Eingriff bleibt der Eingriff straffrei, wenn er nach den Grundsätzen der Heilkunst korrekt ausgeführt und wenn der Patient einwilligt.

Das ist aus meiner Sicht der entscheidende Punkt. So wie Sie sich per Patientenverfügung entscheiden können müssen, dass Sie kein Gewebe und keine Organe implantiert bekommen wollen, muss die Entscheidung, als Spender*in zu fungieren, idealer Weise explizit, informiert und dokumentiert sein. Das ist das Ziel des von mir mit eingebrachten Gesetzesentwurfs.

Die sogenannte Clublösung halte ich für keine gute Idee. Sie hieße, eine lebensverlängernde medizinische Behandlung von Verhalten, Entscheidungen und Einstellungen im früheren Leben der Patienten abhängig zu machen. Das ist ein Pfad, der in der Medizin nicht beschritten werden sollte. Ich glaube, ich brauche nicht ausmalen, wohin er in der Konsequenz führt.

Die von Ihnen mit Recht angesprochenen Gefahren der Verdinglichung des Menschen würde ein Clubmodell sogar noch auf die Spitze treiben, indem aus einer Spende ein Organgeschäft auf Gegenseitigkeit würde.

Viele Grüße und herzlichen Dank für die Beteiligung an dieser wichtigen Diskussion.
Katja Kipping