Frage an Katja Kipping von Fabian R. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Kipping,
laut dem Bericht "Livestock's long Shadow" (FAO, 2006) gehen 18 % der weltweiten Treibhausgasemissionen auf das Konto der Tierhaltung / Viehzucht. Diese gilt damit als größter Treibhausgasemittent (noch vor dem Energiewesen, oder dem Verkehrswesen [Flüge, Schiffe, Autos]). Man darf diese 18 Prozent als konservative Schätzung interpretieren, misst sie doch bloß die direkten Emissionen. Indirekte Emissionen, die durch Rodungen CO2-bindender Wälder entsteht (vgl. Regenwald) sind nicht eingerechnet, so kommt Worldwatch sogar auf 51 Prozent. Man muss sich die Zahlen mal auf der Zunge zergehen lassen: "75 Prozent des weltweiten Sojas [werden] für die Tierfütterung verwendet." Wie unvergleichlich der Landverbrauch ist, zeigt auch eine Oxford-Studie (2018), die Ernährungsweisen bzgl. ihres Landverbrauchs untersucht, mit dem Ergebnis, dass ohne den globalen Fleisch- und Milchkonsum die landwirtschaftlich genutzten Flächen um 75 % reduziert werden könnten – eine Fläche so groß wie USA, China, die EU und Australien zusammen – und immer noch alle Menschen mit pflanzlichen Lebensmitteln ernährt werden könnten. Nicht betrachtet sind hier die zahlreichen weiteren Umweltaspekte wie z. B. Grundwasserverschmutzung und Antibiotika.
Nun weiß ich aus dem Programm der Linken, dass Sie eine Fleischsteuer ablehnen, mit dem Hinweis auf die Sozialverträglichkeit. Nun wirken beliebige andere Maßnahmen wie schärfere Düngeregeln, restriktiverer Antibiotikaeinsatz, mehr Biolandwirtschaft oder höhere Tierschutzstandards ähnlich empfindlich auf den Preis ein (d. h. verteuern das Fleisch), sind diese dann nicht auch "sozial unverträglich"? Denken Sie nicht, dass letztlich eine Reduzierung des Fleischkonsums notwendig ist, um Nachhaltigkeit im Ernährungsbereich zu ermöglichen? Entstehen die Probleme nicht erst durch den massenhaften Konsum? Wie sieht also Ihre Vision einer Agrarwende aus, die sowohl ökologisch als auch sozial verträglich ist?
Beste Grüße
Fabian
Lieber F. R.,
vielen Dank für Ihre Mail. Ich habe mich zu dem Thema mit unseren Fachreferent*innen beraten. Dies ist unsere Position:
DIE LINKE setzt sich für eine flächengebundene Tierhaltung ein. Diese ist nicht nur mit einem geringerem Transportaufkommen durch Güllelaster, sondern auch mit geringerem Nitrataustrag und Methan- und Ammoniakemissionen verbunden, da eine flächengebundene Tierhaltung eine Abstockung der Tierbestände insgesamt bedeuten würde. Diese muss aus Sicht der LINKEN ganz klar auch mit einer Verringerung des Fleischkonsums einhergehen.
Allerdings ist für DIE LINKE auch klar, dass weder die Landwirt*innen noch die Konsument*innen übermäßig dadurch belastet werden dürfen. Eine Abstockung der Tierbestände muss sozialverträglich erfolgen, das heißt, beispielsweise mit Ausgleichzahlungen einhergehen. Für uns steht fest, dass an der Theke oder im Supermarkt generell solche Produkte zu kaufen sein sollen, die aus artgerechter und naturnaher Produktion stammen, und Preise so gestaltet sein müssen, dass eine ausgewogene, abwechslungsreiche und leckere Ernährung für jeden Geldbeutel sichergestellt ist und angemessene Preise an die Erzeugenden gezahlt werden. Dafür ist in besonderem Maße eine politische Weichenstellung erforderlich. Die Unterstützung eines unregulierten Agrarmarktes, der durch billigen Import nicht nur in den Herkunftsländern Schaden anrichtet, sondern einheimische Produkte verdrängt und durch die absolute Ausrichtung auf den Export, regionale Kreisläufe aus Produktion, Verarbeitung und Vermarktung zerstört und eine massenhafte Produktion von Pflanzen und Tieren und der damit verbundenen Menge an Pflanzenschutzmitteln und Düngern befördert, muss endlich aufhören.
Stattdessen wollen wir die ländlichen Räume und die landwirtschaftlichen Betriebe durch eine besondere Förderung regionaler Produktion und Wertschöpfungsketten erhalten und stärken. Dabei ist es für DIE LINKE selbstverständlich, dass innerhalb der Wertschöpfungskette eine faire Risiko- und Gewinnverteilung erfolgt. Diejenigen, die das größte Risiko tragen, müssen auch am meisten am Gewinn beteiligt sein. So können auch Landwirt*innen von ihrer Arbeit leben. Dass es nicht um die Gewinnmaximierung einzelner weniger Großkonzerne aus den Bereichen Saatgut- und Pflanzenschutzmittelherstellung, Schlachtung, Molkerei und Lebensmitteleinzelhandel gehen darf, versteht sich für DIE LINKE von selbst. Ein Systemwechsel der Agrarpolitik ist nicht nur notwendig, sondern auch dringend geboten. Nicht nur was den Natur- und Tierschutz angeht, sondern auch in Hinsicht auf den Klimaschutz.
Beste Grüße
Katja Kipping