Frage an Katja Kipping von Denise M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Kipping,
mich interessiert sehr wie die Linke mit dem grundlegenden digitalen Gesellschaftswandel künftig umgehen wird. Es gibt viele Positionen (mich eingeschlossen), die durch die Digitalisierung eine Welle der Arbeitslosigkeit auf uns zukommen sehen. Jobs erfinden, wie der Staat es schon beim Aufblähen der Verwaltung in der Vergangenheit tat, wird dann nicht mehr möglich sein. Auch das Sozialstaatmodell hat dann ausgedient und man wird sich Gedanken über ein grundlegend neues Gesellschaftsmodell machen müssen. Wie ist Ihre Herangehensweise, bzw, die der Linken? Was planen Sie respektive wie ist Ihre Auseinandersetzung mit dem Thema aktuell? Wie werden Sie mit derartiger Arbeitslosigkeit umgehen ? Richard David Precht beispielsweie schlägt zur Lösung ein bedingungsloses Grundeinkommen sowie eine Mikrotransaktionssteuer als neues Modell vor. Was ist Ihre Position dazu?
Viele Grüße
D. M.
Sehr geehrte Frau M.,
vielen Dank für Ihre Fragen, über die sich Bücher schreiben ließen.
Ich stimme Ihnen zu, dass die Digitalisierung unsere Gesellschaft verändert und dies auch in Zukunft tun wird.
Die These, dass ein sozialer Rechtsstaat dadurch hinfällig werde, sehe ich nicht. Im Gegenteil: Existenz oder Nichtexistenz sozialer Grundrechte entscheidet darüber, ob wir uns auf dem Weg in einen digitalen Feudalismus oder in eine digitale Demokratie leben werden.
Zunächst hat die Digitalisierung das Potential einer größeren Produktivität. Die Frage ist für mich als Linke, was mit diesen Produktivitätsgewinnen geschieht: Werden diese von einigen wenigen Großkonzerne angeeignet oder kommen diese der Gesellschaft als Ganzes zu Gute? Ermöglicht der Zugewinn an Produktivität z.B. Arbeitszeitverkürzungen bei gleichem Lohn oder permanente Erreichbarkeit und Lohndumping durch Ausspielen von Arbeitskräften als plattformgesteuerte Digital-Tagelöhner?
Gerade weil sich viele Berufsfelder in den kommenden Jahren massiv ändern werden, ist noch etwas anderes von Bedeutung. Es braucht neben der Möglichkeit von Auszeiten für die Kinderziehung und Pflege von Angehörigen, auch Auszeiten damit Menschen sich fortbilden und weiterbilden können.
Dass aber der Gesellschaft als Ganzes die Arbeit ausgeht, glaube ich nicht. In der Tat erleben wir doch gerade, dass es sehr viel gesellschaftlich notwendige Arbeit gibt, die gerade gar nicht erledigt werden kann. An allen Ecken und Enden fehlt es an Pflegenden, ÄrztInnen, an Betreuungs- und Lehrpersonal und an Polizistinnen und Polizisten. Die Mär vom aufgeblähten Staat ist ein Gerücht, das von jenen gestreut wird, die nicht auf ein öffentliches Bildungs- und Gesundheitssystem angewiesen sind.
Die Digitalisierung mag zwar die Produktivität in verschiedenen Produktionszweigen erhöhen, gleichzeitig schafft sie jedoch auch neue Berufsfelder.
Eine ausführliche Darstellung der digitalen linken Agenda finden Sie hier in einer Kurz- und einer Langfassung:
www.die-linke.de/themen/digitalisierung/10-punkte-fuer-eine-digitale-agenda
Zu guter Letzt: Ich engagiere mich schon seit sehr langem für das Grundeinkommen. In der LINKEN gibt es seit über 10 Jahren die Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen, um linke Grundeinkommenskonzepte zu entwickeln, zu diskutieren und voranzubringen. Ich persönliche befürworte linke und emanzipatorische Grundeinkommenskonzepte.
Freundliche Grüße
Katja Kipping