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Frage von Jakob K. •

Frage an Katja Kipping von Jakob K. bezüglich Frauen

Sehr geehrte Frau Kipping,

Ich würde Sie gerne darum bitten, zu einer These Stellung zu nehmen. Die These lautet wie folgt: „Die Gleichberechtigung der Frau führt zur Benachteiligung des Mannes.“

Ich persönlich habe in dieser Debatte eine eher konservative Meinung und war deshalb überrascht, auf viel Unverständnis zu treffen, als ich mich mit Bekannten über dieses Thema unterhielt.

Als konservative Meinung ist in diesem Fall die folgende Einstellung zu verstehen: Ist man Geschäftsführer einer Firma und hat zwei Bewerber -beide gleich qualifiziert, aus den Bewerbungsgesprächen ist kein Favorit hervorgegangen, eine Frau, ein Mann- so würde ich mich wahrscheinlich für den Mann entscheiden, da dieser nicht aufgrund von Schwangerschaft ausfallen kann. Diese Meinung habe ich auch meinen Bekannten dargelegt, die diese als nahezu unvertretbar empfanden. Doch wie entscheidet man in einem solchen Fall richtig? Per Zufall? Gibt es eine richtige Art, zu entscheiden? Oder stellt man die Frau ein, um nicht als Frauenfeind bezeichnet zu werden? Dies führt dann aber wieder zu der These, da dann der Mann im Nachteil wäre. Ich persönlich bin etwas zwiegespalten und wollte mir deshalb Ihre Meinung anhören.

Ich frage Sie um ihre Meinung, da ich Ihnen letztes Jahr auf einer Wahlveranstaltung in Stuttgart zuhören durfte und von ihren Argumentationen sehr angetan war.

Vielen Dank schon im Voraus für ihre Rückmeldung!

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Antwort von
DIE LINKE

Lieber Herr K.,

vielen Dank für Ihre Nachricht und ihre Frage. Ich finde es gut, dass diese Fragen im Bekanntenkreis diskutieren und auch hier so aufrichtig zur Debatte stellen. Zu Ihrer These, dass Gleichberechtigung von Frauen zur Benachteiligung von Männern führe: In Zeiten (oder an Orten), wo Männer und Frauen nicht die gleichen Rechte hatten oder haben, verlieh bzw. verleiht dies Männer Macht über Frauen. Zu Zeiten und an Orten, an denen Frauen nicht wählen, nicht arbeiten, sich nicht einfach scheiden lassen konnten/können, verlieren Männer einen Teil ihrer Macht, wenn es gelingt Gleichberechtigung durchzusetzen. Dieser Verlust eines privilegierten Status wurde/wird von einigen Männern als Verlust angestammter Rechte interpretiert. Dies mögen einige als Benachteiligung (gegenüber früheren Generationen von Männern) empfinden. Nur sind wir uns vermutlich einig, dass eine rechtliche Ungleichbehandlung von Männern und Frauen ethisch nicht zu rechtfertigen ist.

Das was Sie in ihrem konkreten Beispiel beschreiben, berührt eine andere Frage. Nämlich die, inwiefern eine Ungleichbehandlung auf Grund des Geschlechts ethisch oder auch juristisch gerechtfertigt ist.

Nicht diskriminieren heißt, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. In der von Ihnen geschilderten hypothetischen Situation sind beide Personen im Wesentlichen gleichermaßen für die Tätigkeit geeignet.
In Ihrem Beispiel nehmen Sie ausschließlich das Geschlecht als Anknüpfungspunkt dafür, jemanden einzustellen oder nicht einzustellen. Damit ist dies eine Diskriminierung auf Grund von Geschlecht. Auch der Gesetzgeber sieht dies so:

"Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor." (§ 3 Abs. 1 AGG)

Eine ungünstigere Behandlung einer Frau allein auf Grund der Unterstellung einer potentiell möglichen Schwangerschaft in der Zukunft wäre also nicht nur diskriminierend, sie wäre auch rechtlich unzulässig. Die Bewerberin könnte Sie für eine Ablehnung mit dieser Begründung verklagen. Wenn also tatsächliche keine maßgeblichen Kriterien die BewerberInnen unterscheiden, wäre der Würfel ein faireres und wahrscheinlich auch ein rechtlich zulässiges Mittel. (Ob in der Position oder in dem Beruf Angehöriges eines Geschlechts unterrepräsentiert sind, wäre ebenfalls ein zulässiges Entscheidungskriterium.)

Versuchen sie sich einmal den Fall andersherum zu denken: Sie bewerben sich als Mann in einer Firma und die Personalabteilung würde Ihnen mitteilen, dass sie Sie nicht einstellt würden, obwohl Sie gleiche Qualifikation wie ihre Mitbewerberin haben. Sie seien ein Mann und hätten deshalb ein statistisch höheres Risiko an Prostatakrebs zu erkranken, Alkoholiker zu werden, Vater zu werden oder im Gefängnis zu landen. Dies sei ein Risiko für den Arbeitgeber. Würden Sie dies akzeptabel oder würden Sie sich als Mann diskriminiert fühlen? Wenn letzteres, hätten Sie das Recht auf Ihrer Seite. Das Antidiskriminierungsrecht würde auch Sie als Mann vor Diskriminierung schützen, denn es schützt nicht Frauen, sondern definiert Diskriminierung als Diskriminierung auf Grund von Geschlecht.

Antidiskriminierungsrecht schützt also Männer und Frauen gleichermaßen. Nur kommt Diskriminierung von Frauen in unserer Gesellschaft leider immer noch häufiger vor und damit auch häufiger vor Gericht. Der Prostatakrebs-Fall ist hypothetisch, ihr hypothetischer Schwangerschaftsfall hingegen ziemlich auch in der Realität ziemlich häufig.

Freundliche Grüße

Katja Kipping