Frage an Katja Kipping von Manfred H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Kipping,
DIE LINKE hat auf ihrem Parteitag in Hannover ein Papier mit dem Titel "Solidarität für Venezuela" beschlossen. Dort wird die Eskalation der Lage in V. allein der Opposition, der USA, der EU und der Organisation Amerikanischer Staaten in die Schuhe geschoben. Fakt ist jedoch, dass Präsident Maduro nicht erst seit zwei Wochen eine Diktatur in V. anstrebt und die Probleme (höchste Mordrate weltweit, fehlende Infrastruktur, Enteignung des Mittelstands etc.) alle hausgemacht und bereits durch Hugo Chavez initiiert wurden. Mit der höchstwahrscheinlich durch Wahlmanipulation eingeführten Verfassungsgebenden Versammlung und der Amtsenthebung der Generalstaatsanwältin Ortega durch eben diese, halte ich das o. a. Papier allerspätestens jetzt für einen Schlag ins Gesicht jedes nicht der Regierung treu ergebenen Venezolaners (Meine Frau ist aus V. und ihre Familie lebt in Caracas, ich kenne also die Realität dort).
Hält DIE LINKE auch nach den jüngsten Ereignissen immer noch an der Solidarität mit der bolivarischen Revolution und an dem zukünftigen Diktator Maduro fest?
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Für mich sind Demokratie und Menschenrechte universelle Werte. Sie haben überall zu gelten, und gerade linke Regierungen sind ihnen aufgrund der Geschichte des Staatssozialismus im Besonderen verpflichtet. Die aktuelle Entwicklung in Venezuela ist für mich wirklich eine Tragödie. Mir beweist sie erneut, dass mit Maßnahmen wie der Aufhebung der Gewaltenteilung, keine sich selbst „sozialistisch“ verstehende Regierung wird demokratisch bleiben können. Selbst wenn die neugewählte „verfassunggebende Versammlung“ formal mit der venezolanischen Verfassung im Einklang stehen sollte, finde ich falsch, wie Präsident Maduro das frei gewählte Parlament dadurch de facto entmachtet.
Gleichermaßen zu kritisieren ist das Agieren von Teilen der Opposition, die bewusst auf eine gewaltsame Eskalation hinarbeitet. Sowohl das 2015 gewählte Parlament, in dem die Opposition eine Mehrheit hat, wie auch Präsident Maduro, dessen Amtszeit 2019 endet, sind das Ergebnis freier Wahlen. Insoweit sind beide aufgefordert, Formen der demokratischen Akzeptanz und Zusammenarbeit zu entwickeln, statt sich wechselseitig die Legitimation abzuerkennen. Eine Lösung der politischen Probleme und humanitären Krise kann nur in einem Kompromiss zwischen der Regierung und der Opposition zu finden sein – andernfalls droht das Land in einen Bürgerkrieg oder einen zunehmenden Autoritarismus zu rutschen.
Das verlangt eine Rückkehr beider Seiten – und hier meine ich auch ganz ausdrücklich die Opposition - zum Dialog, und nicht die Fortsetzung von Polizeigewalt und Straßenschlachten mit immer neuen Toten. In diesem Zusammenhang sind ökonomische Sanktionen und militärische Drohungen gegen die venezolanische Regierung, wie sie jüngst der US-amerikanische Präsident Trump aussprach, alles andere als hilfreich.
Auch das stärkt nicht die Chancen auf eine politische Lösung, sondern trägt nur zur Verschärfung der gegenwärtigen Krise bei.
Beste Grüße
Katja Kipping