Frage an Katja Kipping von Renate S.
Guten Tag Frau Kipping,
warum fordert Die Linke nicht explizit den Einstieg in eine gesetzliche Pflichtversicherung für alle Erwerbstätigen nach dem Vorbild von Österreich?
Da die Umstellung/Einführung Jahrzehnte dauern wird sollte man doch so früh wie möglich beginnen.
Wer fürchtet um seine Privilegien?
Mit freundlichen Grüßen
Renate Stock
Sehr geehrte Frau Stock,
genau das tun wir - DIE LINKE. im Bundestag fordert eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung, eine Bürgerinnen- und Bürgerversicherung.
In den letzten zwanzig Jahren verfolgten alle Bundesregierungen das Ziel, die Sozialausgaben der Arbeitgeber zu reduzieren und die Kosten der Gesundheitsversorgung einseitig den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bzw. den Patientinnen und Patienten aufzulasten. In der Krankenversicherung wurden Sonderbeiträge und Zuzahlungen eingeführt, zeitweise sogar eine Praxisgebühr. Gleichzeitig wurden Teile der medizinischen Versorgung im Leistungskatalog der Kassen gestrichen und die Bewilligungspraxis der Kassen wurde restriktiver. Die Pflegeversicherung übernimmt nur einen Teil der bei Pflege anfallenden Kosten und deckt den Bedarf nicht. Mehr als die Hälfte der Kosten müssen Pflegebedürftige und ihre Angehörige aus der eigenen Tasche finanzieren.
Die große Koalition führt die von Schwarz-Gelb eingeführten Zusatzbeiträge als individuelle, einkommensabhängige Zusatzbeiträge fort. Damit werden alle künftigen Kostensteigerungen allein den Versicherten aufgebürdet. In der Pflegeversicherung wurde die chronische Unterfinanzierung der Pflege auch durch die schwarz-rote Regierung keineswegs behoben. Ohne eine solide Finanzierung und echte Leistungsverbesserungen wird sich der Pflegenotstand weiter verschärfen und eine leistungsgerechte Bezahlung für Pflegekräfte rückt in weite Ferne.
Die Umverteilung zu Lasten der Versicherten und Kranken ist keineswegs alternativlos. Eine gute Gesundheits- und Pflegeversorgung ist möglich, wenn sich alle nach ihren Möglichkeiten daran beteiligen.
Mit der solidarischen Gesundheitsversicherung (Bürgerinnen- und Bürgerversicherung) will die Fraktion DIE LINKE. für soziale Gerechtigkeit sorgen und Kranken- und Pflegeversicherung fit für die Zukunft machen:
- Eine für alle: Jeder Mensch, der in Deutschland lebt, wird Mitglied.
- Alle Einkommensarten einbeziehen: Alle, auch die heute privat Versicherten, zahlen entsprechend ihrem Einkommen aus Löhnen, Honoraren sowie Miet-, Pacht- und Kapitalerträgen in die Bürgerversicherung ein.
- Beitragsbemessungsgrenze abschaffen: Der Beitrag richtet sich damit nach der finanziellen Leistungsfähigkeit: Wer wenig hat, zahlt wenig, wer mehr hat, zahlt mehr.
- Parität herstellen: Die Arbeitgeber tragen die Hälfte der Beiträge ihrer Beschäftigten auf Löhne und Gehälter.
- Private Krankenversicherung als Vollversicherung abschaffen: Die private Krankenversicherung wird auf Zusatzversicherungen beschränkt. Das in Europa einzigartige Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung wird damit beendet.
- Patientinnen und Patienten entlasten: Zuzahlungen, Zusatz- und Sonderbeiträge werden abgeschafft.
Der Beitragssatz könnte laut einer unabhängigen Studie von derzeit 15,5 Prozent auf 10,5 Prozent des Einkommens sinken. Die Beiträge blieben auf Jahre hinaus stabil bei etwas über 10 Prozent. Auf Löhne und Gehälter sowie Renten müssten die Versicherten nur noch einen Anteil von 5,25 Prozent statt derzeit 8,2 Prozent zahlen.
In der sozialen Pflegeversicherung schafft die solidarische Gesundheitsversicherung finanziellen Spielraum für eine Versorgung, die sich an Teilhabe und Selbstbestimmung orientiert und Pflegebedürftigen wie Pflegenden ein Leben in Würde ermöglicht.
Die Mehrzahl der Menschen hat mit der Bürgerinnen- und Bürgerversicherung mehr Geld in der Tasche, besonders Beziehende von kleinen und mittleren Einkommen profitieren. Die gestiegene Kaufkraft gibt der Binnenwirtschaft positive Impulse. Durch den Kaufkraftschub kämen dauerhaft über 500 000 Menschen zusätzlich in Beschäftigung.
Die Fraktion DIE LINKE bietet mit der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung eine soziale und gerechte Alternative. Eine umfassende Gesundheitsversorgung für alle und eine Pflege, die sich am Bedarf der Menschen orientiert, ist möglich und finanzierbar.
Sehen Sie hier unseren Antrag dazu:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/051/1805110.pdf
Freundliche Grüße
Katja Kipping