Frage an Katja Kipping von Michael S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Kipping,
die Abstimmung über das CETA-Abkommen steht bevor. Dazu zwei Fragen:
Stimmt es, dass die EU-Kommission das fertig verhandelte CETA-Abkommen zurückhält, bis die Briten über den Verbleib in der EU abgestimmt haben?
Stimmt es, dass die EU-Kommission die Entscheidung der nationalen Parlamente über das CETA-Abkommen unterlaufen will?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Michael Sparn
Sehr geehrter Michael Sparn,
wie Sie sicher wissen, liegt der endgültige CETA-Vertragstext seit Februar 2016 vor. Unserer Fraktion hat unmittelbar danach im Wirtschaftsausschuss einen entsprechenden schriftlichen Bericht der Bundesregierung zum weiteren Verfahren und der Haltung der Regierung angefordert. Nachzulesen unter http://www.mdb-klaus-ernst.de/2016/03/17/ceta-ohne-parlamente-mein-kommentar-zum-sachstand/
Welche genauen Überlegungen hinter der Entscheidung der EU-Kommission stehen, eine formale Beschlussfassung der Regierungsvertreter zur Annahme/Ablehnung des Vertragstextes im EU-Rat erst im August/September durchzuführen, sind unklar. Der Vertragstext als solches ist aber für alle Interessierten auf der Seite der EU-Kommission einzusehen, die "Verzögerung" der Beschlussfassung aufgrund des Referendums in Großbritannien (BREXIT) sind eher unwahrscheinlich. Vielmehr geht es unser Ansicht nach um eine notwendige interne politische Abstimmung zwischen den Regierungen und der EU-Kommission, wie mit dem heiklem Thema überhaupt umzugehen ist. Denn die massive und berechtigte öffentliche Kritik an CETA reißt nicht ab und die Kompetenzstreitigkeiten zwischen der EU-Kommission und den EU-Mitgliedsländern sind ungelöst.
Dieser Streit drückt sich unter anderem darin aus, dass die EU-Kommission in der erwähnten kommenden Sitzung des EU-Rates das weitere Verfahren zur Ratifikation von CETA in ihrem Sinne festlegen lassen will (siehe Sachstandsbericht). Ob es ein gemischtes Abkommen ist und damit eine Ratifikation und Zustimmungen in den Mitgliedsländern überhaupt braucht (bei uns der Bundestag und Bundesrat) ist rechtlich nicht abschließend geklärt. Ebenso wenig ist bis jetzt klar, welche Teile des Vertrages (sollte es ein gemischtes Abkommen sein) nach Zustimmung im EU-Rat und im Europäischen Parlament (EP), vorläufig angewendet werden und damit in Kraft treten bevor nationale Parlamente über den Gesamtvertrag entschieden haben.
Wir lehnen den CETA-Vertrag sowohl im EP als auch im Bundestag ab und haben die inhaltliche Kritik der zivilgesellschaftlichen Bewegung gegen CETA und TTIP in den letzten Jahren geteilt. Ein Hauptgrund für uns war stets die mangelnde Transparenz und die unzureichende demokratische Beteiligung von Parlamenten wie Bürgerinnen und Bürgern in Europa bei der Erstellung des Abkommens. Es ist für uns auch weder demokratisch noch verfassungsrechtlich akzeptabel, wie nun über formalrechtliche Schritte möglicherweise Fakten geschaffen werden sollen und wie hierbei die Bundesregierung agiert. Denn sie ist in erster Linie jetzt in den europäischen Gremien gefordert und müsste verhindern, dass der Entscheidungsspielraum der Parlamente und die Demokratie massiv beschnitten wird.
Freundliche Grüße
Katja Kipping