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Frage von tim t. •

Frage an Katja Kipping von tim t. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Frau Kipping,

ich hätte mal eine Frage die zwar nicht mehr aktuell ist aber mich trotzdem sehr interessieren würde was speziell eine weibliche Abgeordnete darüber denkt. Und zwar geht es um die Menschenwürde hinsichtlich erzwungenen ärztlichen Untersuchungen. Es gibt viele Bereiche in denen man gesetzlich gezwungen ist sich ärztlich untersuchen zu lassen, z.B. bei Verdacht auf Fahruntüchtigkeit im Straßenverkehr oder noch vor ein paar Jahren war die Musterung eine dieser ärztlichen Zwangsuntersuchungen. Ich möchte die Frage hinsichtlich der Menschenwürde gerne am Beispiel der Musterung konkretisieren. Und zwar gehörte zu dieser Untersuchung auch eine Begutachtung der Genitalien. Diese Intimuntersuchung war es -bis auf die letzten Jahre vor der Abschaffung- generell nicht möglich sie zu verweigern, denn eine Verweigerung zog ein hohes Bußgeld nach sich, den passenden Paragraphen kann man sehr leicht recherchieren. Diese Intimuntersuchung wurde in vielen dokumentierten Fällen -z.B. in der Pilotstudie Gewalt gegen Männer dokumentiert- von Frauen im Blickfeld der meist sehr jungen Schreibkraft durchgeführt, die logischerweise alles mit ansehen konnte und durfte. Ein solches Szenario wäre mit umgekehrten Geschlechterrollen undenkbar gewesen! Nun meine Fragen:

1.Warum wurde seitens der Politik nichts unternommen diese Männerdiskriminierung und Erniedrigung zu beenden?
2. Wie würden Sie diese Situation hinsichtlich Gleichstellung und Gleichberechtigung bewerten, also dass etwas für Männer Alltag war das für Frauen absolut undenkbar wäre?
Letzte Frage: Was denken Sie darüber dass jungen weiblichen Schreibkräften die Möglichkeit geboten wurde, die Intimuntersuchungen mit anzusehen?

Für Ihr Bemühen meine Fragen zu beantworten möchte ich mich bedanken!

Mit freundliche Grüßen

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Antwort von
DIE LINKE

Lieber Herr Toner,

vielen Dank für Ihre Fragen. Zunächst, ich glaube nicht, dass ich als „weibliche Abgeordnete“ Ihre Fragen anders beantworten werde, als dies meine Fraktionskollegen tun würden.

Sie beziehen sich auf die dem Grundwehrdienst vorausgehende Musterung und werten die Imtimbeschau als diskriminierend.

Ich denke, dies trifft nur einen kleinen Teil eines viel größeren Problems. Die von Ihnen zitierte Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zeigt ja, dass während ihres Militärdienstes rund 60 Prozent der Wehrdienstleistenden „schikaniert, unterdrückt, schwer beleidigt oder gedemütigt“ wurden. Mehr als 15 Prozent der Befragten wurden „eingesperrt oder gefesselt“ und 10 Prozent „erpresst und bedroht“. Wobei die Autoren selbstkritisch anmerken, dass die Studie eine Unschärfe aufweist, da sich im Nachhinein herausstellte, dass es eine unterschiedliche Bewertung von Gewalterfahrungen im Militär und im zivilen Leben bei den Befragten gab. Gewalterfahrungen wurden von den Betroffenen vielfach als „normal“ und zum Dienst gehörend betrachtet. Offenbar wurden lediglich über das vermeintlich „normale Maß hinausgehende“ Gewalterfahrungen berichtet.

Das zeigt, dass Militär unabhängig von Kriegseinsätzen eine ernstzunehmende Gefahr für die psychische und physische Unversehrtheit nicht nur von ZivilistInnen, sondern auch für die ihm angehörenden Personen darstellt — zunächst unabhängig vom Geschlecht. Die regelmäßigen Berichte des Wehrbeauftragten zeigen ja, dass auch Soldatinnen massiver Gewaltausübung durch KameradInnen und/oder Vorgesetzte ausgesetzt sind.

Ich denke daher, dass es falsch ist, die Problematik, wie Sie es tun, auf die Musterung zu begrenzen.

Dies ist einer (!) der Gründe, weshalb DIE LINKE wie auch ihre Vorgängerpartei die PDS den radikalen Rückbau und die Verkleinerung der Bundeswehr zu einer Verteidigungsarmee und die Abschaffung der Wehrpflicht fordert. Diese ist anders als Sie schreiben nicht abgeschafft, seit 2011 wird lediglich die Einberufung ausgesetzt.

Ihre letzte Frage, was ich davon halte, dass „jungen weiblichen Schreibkräften die Möglichkeit geboten wurde, die Intimuntersuchungen mit anzusehen“ scheint mir irreführend. Auch diese Angestellten der Kreiswehrersatzämter haben dieses ja nicht zu ihrem Vergnügen gemacht, sondern waren dazu im Rahmen ihres Arbeitsvertrags verpflichtet.

Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping