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Frage von Thomas B. •

Frage an Katja Kipping von Thomas B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Kipping,

auf den Websites der ARD-Tagesschau haben Sie geäußert, im "Parlament der Erpresser" zu sitzen. Sie halten die Gläubiger Griechenlands offenbar für Erprsser.

http://www.tagesschau.de/inland/griechenland-probeabstimmungen-101.html

Warum?

Ich halte es für normal, wenn man für einen Kredit bestimmte Bedingungen erfüllen muss. Als ich mein Haus gebaut und ein Darlehen aufgenommen habe, musste ich ja auch Bedingungen erfüllen (z.B. sicheres Einkommen, die Grundschuld im Grundbuch akzeptieren usw). Wenn nicht, kein Darlehen. Ich fühle mich aber nicht erpresst!

Warum also halten Sie die Geldgeber Griechenlands für Erpresser?

Dass in Griechenland Reformen notwendig sind, bestreiten nur wenige.

Wollen Sie ernsthaft sagen, es könne so weiter gehen wie bisher? Mit von Vätern an Töchter vererbbaren Pensionen, Rentenzahlungen an die Familien seit Jahren Verstorbener, Steuerbefreiung für Milliardäre oder ähnlichem? Das können Sie doch nicht ernsthaft wollen.

Wie sehen diese Dinge?

Mit freundlichen Grüßen

Thomas S. Bladt

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Antwort von
DIE LINKE

Lieber Herr Bladt,

vielen Dank für Ihre Frage. Mir geht es nicht darum, dass Vereinbarungen zwischen Kreditnehmern und Gläubigern getroffen werden. Das ist vollkommen selbstverständlich. Es geht auch nicht darum, dass es in Griechenland keine Reformen bräuchte. Zur Erinnerung: Syriza ist gewählt worden, weil diese Partei als einzige Schluss machen wollte mit dem Filz der Vorgängerregierungen.

Es geht um etwas anderes, was ich gern an dem von Ihnen gewählten Beispiel verdeutlichen möchte. Die Bank bzw. vielleicht eher die Nachbarn, von denen Sie sich in Ihrem Beispiel Geld leihen, weil Sie sonst ihre Wohnung verlieren würden und das Essen nicht mehr bezahlen können, verlangen nicht nur Vereinbarungen über Sicherheiten, Laufzeit, Tilgung und Zinsen. Ihre Nachbarn fordern, nachdem sie Ihnen Hilfe zugesagt haben, dass Sie den Sohn von der Schule nehmen und Ihrer/m LebensgefährtIn trotz großer Schmerzen den Zahnersatz nicht mehr bezahlen dürfen und am Schlimmsten – dass Sie Ihr Taxi, mit dem Sie Ihr Geld verdienen, verkaufen müssen.

Nachdem Sie die Forderungen, die sie erfüllen konnten, erfüllt haben, sagen Ihre Nachbarn plötzlich: Das reicht nicht. Sie müssen wirklich noch das Taxi verkaufen, bevor wir Ihnen helfen können … Und als würde das nicht genügen, laufen Ihre Nachbarn dabei durchs Viertel und erklären, was für ein unanständiger und unzuverlässiger Mensch Sie sind.

Vermutlich würden Sie die Privatinsolvenz vorziehen und die Nachbarschaft verlassen. Bei einem Staat ist das nicht so einfach. Griechenland kann nicht schließlich einfach in die Türkei umziehen.

Griechenland hat so viele Reformen durchgeführt, wie kein anderes europäisches Land. Es hat Gesundheits-, Renten- und Sozialausgaben in einem Maße gekürzt, dass wir mittlerweile von einer humanitären Katastrophe sprechen müssen. Es hat auf Biegen und Brechen profitable Staatsbetriebe verkauft und die eigene Wirtschaft komplett stranguliert. Die zwangsweise Schließung des Bankensystems hat den griechischen Unternehmen den Rest gegeben. Hat das dazu geführt, dass die Schulden Griechenlands gesunken sind? Nein. Die Wirtschaft ist um mehr als 10 Prozent geschrumpft, die Industrieproduktion noch viel stärker, sie befindet sich mittlerweile auf dem Stand der 1970er Jahre. Führt das zu einem Nachdenken über andere Regeln? Nein, stattdessen heißt es: Entweder ihr unterschreibt oder wir lassen euch am ausgestreckten Arm verhungern.

Kann man machen, kann man dann aber auch als Erpressung bezeichnen.

Herzliche Grüße
Ihre Katja Kipping