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Frage von Johannes S. •

Frage an Katja Kipping von Johannes S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kipping,

folgendes Anliegen wird für viele Bürger der BRD ohne Klärung zu einem unlösbaren Problem:
1996 wechselte ich von der gesetzl. Krankenvers. ( „GKV“) in die private Krankenvers. („PKV“). Damals wurde mir versichert, dass eine Rückkehr zur GKV problemlos möglich ist, wenn die Bemessungsgrenze unterschritten wird. Da ich bis zu meinem 57. Lebensjahr darüber lag, konnte ich nicht in die GKV zurück. Seitdem liegt mein Einkommen weit unter der Bemessungs- u. Versicherungspflichtgrenze.
2004/05 wurde § 6 Abs. 3a SGB V in die Gesetzgebung eingebracht: Reduzierung der Altersgrenze für den Wechsel in die GKV auf 55 Jahre. Durch diese neu gefasste Gesetzänderung u. durch die Tatsache, dass mein Gehalt bis zu meinem 57. Lebensjahr über der Bemessungsgrenze lag, war ein Wechsel in die GKV unmöglich geworden! Dieses Gesetz (§ 6 Abs. 3a SGB V: Altersfestlegung 55 Jahre) wurde beschlossen, ohne „Wechselwilligen“ die Gelegenheit zu geben, in einer Übergangsphase unter Ausschluss der Beitragsbemessungsgrenze in die GKV zurückzukehren! Dadurch und durch die Art der Einführung ohne Übergangsregelung hat mich der Gesetzgeber gegenüber anderen Bürgern wesentlich und dauerhaft benachteiligt - ich sehe hier selbst einen Verstoß gegen das Grundgesetz (Artikel 3: „(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“). Ich fühle mich dadurch und durch Diskussionen z.B. im Internet über die „bösen privat Versicherten“ diskriminiert, in meinen Grundrechten eingeschränkt und somit als „Bürger zweiter Klasse“.
Ist es „deutsches Staatsrecht“, Menschen, die ein Leben lang Ihre Bürgerpflichten erfüllt haben, durch im Nachhinein gefasste Ergänzungsgesetze in die sichere Verarmung zu treiben?
Sehr bald werde ich meine gesamten Altersrücklagen durch staatlich sanktionierte hohe PKV-Beiträge verlieren, verarmen, zum Sozialfall werden und dann der Gesellschaft auf der Tasche liegen. Ist das der Lohn für eine lebenslange rechtschaffende Lebensweise in Deutschland?

M. f. G.
J.S.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Seeger,

leider ist Ihre Situation kein Einzelfall. Viele Versicherte sind über die Entwicklung der Beiträge in der privaten Krankenversicherung geschockt und möchten in die gesetzliche Krankenversicherung zurück. Bei einer Online-Umfrage der Stiftung Warentest unter PKV-Versicherten gaben von rund 2 300 Teilnehmern mehr als 1 000 an, dass die Beiträge zur privaten Krankenversicherung zu hoch sind – 1 600 befürchten, die Beiträge in Zukunft nicht mehr aufbringen zu können. Doch ab dem 55. Lebensjahr ist der Rückweg versperrt.

Der Gesetzgeber hat das Rückkehrrecht beschränkt, um Rosinenpickerei zwischen den Systemen zu unterbinden. So ist es zum Beispiel in einem Solidarsystem nicht sinnvoll, dass die Menschen in jungen Jahren von den niedrigeren PKV-Prämien profitieren und im Alter dann von niedrigeren GKV-Prämien. Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, sind versicherungsfrei, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren (vgl. § 6 Abs. 3a SGB V). Damit können Versicherte, die bereits das 55. Lebensjahr überschritten haben und Mitglied einer Privaten Krankenversicherung sind, nicht mehr in eine GKV zurück.

Leider trifft diese Regelung auch viele Menschen, die falsch beraten wurden und ihre Entscheidung für die PKV nicht mehr rückgängig machen können. Für diese Fälle hat der Gesetzgeber den Basistarif eingeführt. Leider ist auch der keine Lösung. Der Beitrag zum Basistarif der PKV ist abhängig von Alter und Geschlecht und wird ab einer bestimmten Höhe unter Anrechnung der Altersrückstellungen gekappt. Der pro versicherte Person zu zahlende Höchstbeitrag entspricht dem jeweils gültigen Höchstbeitrag für Krankenversicherung in der GKV (2015: 602.25 €; inklusive Pflegeversicherung 709,51 Euro). Ab welchem Alter der Höchstbeitrag erreicht wird, ist unter anderem abhängig von Zahl und Versichertenstruktur der Versicherten im Basistarif des jeweiligen Unternehmens.

Wir empfehlen, die Regelungen zur Hilfebedürftigkeit zu prüfen. Wenn durch die Zahlung des Krankenversicherungsbeitrags Hilfebedürftigkeit entsteht, reduziert sich der zu zahlende Beitrag um die Hälfte (§ 12 Abs. 1c Satz 4 bis 6 VAG). Entsteht auch durch die Zahlung des reduzierten Beitrags Hilfebedürftigkeit, beteiligt sich der nach dem Sozialgesetzbuch zuständige Träger (Bundesagentur für Arbeit oder Sozialamt) im erforderlichen Umfang am Beitrag, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird.
Beispiel: Ein Versicherter hat einen Beitrag im Basistarif von 581,25 Euro zu leisten. Die Zahlung ruft bei ihm Hilfebedürftigkeit hervor, weshalb der Beitrag auf die Hälfte (290,63 Euro) reduziert wird. Von dem reduzierten Beitrag ist es ihm möglich, 180 Euro selbst zu tragen. Darüber hinaus gehende Zahlungen würden bei ihm jedoch Hilfebedürftigkeit verursachen. Der zuständige Träger zahlt ihm in diesem Fall einen Zuschuss von 110,63 Euro.

Besteht unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit, wird der Beitrag auf die Hälfte des Höchstbeitrags (2015: 301,13 Euro) reduziert. Der Versicherte erhält in diesem Fall vom zuständigen Träger einen Betrag als Zuschuss, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Die Hilfebedürftigkeit ist vom zuständigen Träger auf Antrag des Versicherten zu prüfen und zu bescheinigen. Die Bescheinigung ist dem privaten Krankenversicherungsunternehmen vorzulegen.

Die PKV selbst kennt die Probleme und weiß über die tickende Zeitbombe, bietet aber keine Lösung an. Das System der Alterungsrückstellungen, das steigende Beiträge im Alter verhindern soll, funktioniert nicht. Das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Handelsgesetzbuch schreiben zwingend vor, dass die PKV die Altersrückstellungen so kalkulieren muss, dass Prämien nicht aufgrund von höheren Gesundheitskosten im Alter erhöht werden müssen. Diese Verpflichtung löst die PKV nicht ein, sonst wäre sie nicht auf den stetigen Zufluss neuer und junger Mitglieder angewiesen.

DIE LINKE hat die Probleme der PKV immer wieder durch Kleine Anfragen problematisiert. Wir fordern eine grundsätzliche Lösung, die Beschränkung der PKV auf Zusatzversicherungen und den Einbezug aller in die solidarische Gesundheitsversicherung (vgl. Antrag: „Private Krankenversicherung als Vollversicherung abschaffen – hochwertige und effiziente Versorgung für alle“, Bundestags-Drs. Nr. 18/4099). Viele PKV-Versicherte sind unzufrieden, hohen Beitragssteigerungen ausgesetzt und würden eine hochwertige und finanzierbare solidarische Krankenversicherung durchaus schätzen.

Eine wissenschaftliche Studie stellt klar, mit dem Konzept der Linksfraktion kann der Beitragssatz zur Krankenversicherung auf Jahre hinaus konstant niedrig bei etwas über 10 Prozent des Einkommens gehalten werden. Sämtliche erforderlichen Leistungen werden zur Verfügung gestellt und der medizinische Fortschritt wird einbezogen. Alle zahlen den gleichen Anteil ihres Einkommens ein – unabhängig davon, ob es aus Löhnen, Unternehmensgewinnen oder Dividenden bezogen wird. Versicherte mit einem Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze würden künftig gerecht in die solidarische Finanzierung einbezogen. Durch den niedrigeren Beitragssatz wären bis zu einem Einkommen von 6.000 Euro im Monat noch Einsparungen spürbar.

DIE LINKE. im Bundestag wird weiter für die solidarische Gesundheitsversicherung streiten. Alle, auch die heute privat Versicherten, zahlen dann entsprechend ihrem Einkommen aus Gehältern, Unternehmensgewinnen und Kapitalerträgen in die Bürgerversicherung ein. Die paritätische Finanzierung wäre wiederhergestellt. So ließe sich soziale Gerechtigkeit schaffen und die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung würde auf eine stabile Grundlage gestellt.

Freundliche Grüße
Katja Kipping