Frage an Katja Kipping von Nadine H.
Sehr geehrte Frau Kipping,
Ihr Abstimmungsergebnis und das vieler anderer Linken in Sachen Verlängerung der Griechenlandhilfen wirft doch einige Fragen auf:
1. Mit welcher Begründung haben Sie mit Ja gestimmt bzw. spielen da außer genossischer Treue zu Tsipras noch andere Gründe mit?
2. Da es absehbar ist, dass Griechenland für eine sehr lange Dauer alimentiert werden muss, werden noch weitere Rettungsmilliarden und Schuldenschnitte nötig sein; ist dann wieder mit einem "solidarischen" Ja Ihrerseits zu rechnen?
3. Haben Sie im Gespräch mit Tsipras angemerkt, dass es schwer verständlich ist, wenn deutsche Bürger dafür zahlen sollen, dass griechische Reeder und Superreiche nicht besteuert werden?
4. Haben Sie im Gespräch mit Tsipras angemerkt, dass es solidarisch wäre - ein Wort, das Sie gerne benutzen - wenn Griechenland die in der Schweiz liegenden Milliarden rückholen würde? Angebote aus der Schweiz gab es, allerdings wurden sie von der neuen griechischen Regierung abgewiesen.
Und 5. Wem fühlen Sie sich mehr verpflichtet, den deutschen Bürgern oder einer Ideologie, die, wie man am Euro sieht, Milliarden Steuergelder der europäischen Steuerzahler zweckentfremdet, um ganze Länder über Jahrzehnte hinweg vor der Pleite zu bewahren?
Es wäre schön, wenn Sie ohne ideologische Vorträge und ohne die übliche "Deutschland-ist-schuldig"-Rhetorik antworten würden.
Mit freundlichen Grüßen
Nadine Hoffmann
Sehr geehrte Frau Hoffmann,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Parteipolitische Nähe oder Ferne sind in Bezug auf die Krisenbewältigung in Europa tatsächlich nachrangig. Anders als es in Ihrer Frage anklingt, ist am 27. Februar kein neuer Kredit beschlossen worden. Es ist das bereits beschlossene Kreditprogramm um vier Monate verlängert worden. Die mit diesem Kreditprogramm verbundenen Auflagen hat meine Partei kritisiert. Sie haben zu einer humanitären Krise in Griechenland geführt. Zu einer Senkung der Staatsschulden, die durch die Bankenkrise entstanden sind, haben sie hingegen nicht beigetragen. Im Gegenteil, die Schulden haben sich vergrößert. Dies war der Grund, warum wir gegen diese Kreditprogramme gestimmt haben.
1) Mich haben trotz aller Kritik an diesem Programm folgende Gründe dazu bewogen, für die Verlängerung zu stimmen: Die neue griechische Regierung war zu diesem Zeitpunkt 30 Tage im Amt. Sie hat eine Reformagenda, die darauf setzt, die faktische Steuerfreiheit der griechischen Oberschicht zu beenden und die Verelendung großer Teile der Bevölkerung sowie die Zerstörung grundlegender sozialer Infrastruktur wie dem Gesundheitssystem zu beenden.
Ein erzwungener Ausstieg aus den durch die Vorgängerregierungen eingeplanten Mittel aus den Kreditprogrammen hätte Griechenland in die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit gebracht. Dies wäre sowohl für Griechenland, als auch für Kreditgeber wie Deutschland katastrophal gewesen. Ein solcher Staatsbankrott hätte für Deutschland mit 84 Milliarden Euro zu Buche geschlagen.
2) Die Frage über zukünftige Abstimmungen kann ich nicht beantworten. Sie sind immer hypothetisch und von den konkreten Voraussetzungen abhängig. Meine Partei tritt für einen grundlegenden Systemwechsel in Europa ein. Dies würde bedeuten, dass man verhindert, dass die Kosten einer Bankenkrise wie in der Vergangenheit erst verstaatlicht und dann auf die kleinen und mittleren Einkommen abwälzt. Wie bereits gesagt, ich habe die „Rettungsringe aus Blei“, die Griechenland zugeworfen wurden kritisiert, weil sie die strukturellen Probleme nicht beheben.
3) Alexis Tsipras‘ Regierung ist die erste Regierung überhaupt, die sich mit den mächtigen Reedern und Medienmagnaten anlegt. Darüber, dass die Steuerfreiheit dieser Oligarchen ein Skandal ist, braucht er sich von einer ausländischen Politikerin nicht belehren lassen.
4) In Griechenland hat es allen bisherigen Regierungen am politischen Willen gefehlt, eine effektive Besteuerung durchzusetzen. Dies hat auch Spuren in der Finanzverwaltung hinterlassen. Diese ist besser geworden, es gibt aber eine Reihe von Defiziten. Verhandlungen über ein Steuerabkommen mit der Schweiz wurden von der Vorgängerregierung bereits im Frühjahr 2014 eingestellt. Die Tsipras-Regierung hat sie wieder aufgenommen. Nikos Pappas war als Vertreter der griechischen Regierung jüngst in der Schweiz.
5) Man kann eine Frage so stellen, dass sie eine böswillige Unterstellung enthält. Ich fühle mich als Parlamentarierin und als Europäerin selbstverständlich allen Menschen verpflichtet, die mit den Entscheidungen leben müssen, an denen ich mitwirke. Das Krisen-Missmanagement zugunsten ökonomischer Eliten und die dahinterstehende Ideologie ist aber wohl meiner Partei als allerletztes anzulasten.
Freundliche Grüße
Katja Kipping