Frage an Katja Kipping von Klaus T. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Kipping.
Offenbar nehmen Sie es mit der Wahrheit nicht so genau!? Wenn Sie sich schon auf die griechische Göttin der Wahrheit berufen, sollten Sie mal darüber sinnieren, wohin denn das Geld der Banken vor diesen Rettungspaketen geflossen ist!?
Es war nämlich doch der griechische Staat (und dessen Institutionen & Banken), die Kredite aufgenommen wurden, die offensichtlich nicht produktiv, sondern konsumptiv genutzt wurden - z.B. durch übermäßige (Real)Lohnzuwächse, die eben nicht durch produktives Wachstum gedeckt waren. Genau das führte zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit des Landes & daran knabbert es noch heute.
Alle Banken, die in Griechenland in irgendeiner Weise engagiert waren/sind, wurden entweder teilenteignet (siehe Schuldenschnitt von 2012 i.H.v. etwa 105 Mrd. €) oder eben durch "Rettungspakete" herausgeboxt. Aber auch dies ist kein Selbstzweck, sondern diente letztlich der Stabilisierung der Finanz- & damit der Realwirtschaft. Denn ohne funktionierende Finanzwirtschaft läuft in unserer auf Geld basierten Wirtschaft eben nichts mehr.
Dies kann man nun kritisieren oder gutheißen. Fest steht, dass uns eben dieses System einen Wohlstand beschert hat und immer noch beschert, der wohl einzigartig in der Geschichte ist.
Sollten Sie diesen Wohlstand kritisieren wollen, tun Sie dies bitte ehrlich und aufrichtig und sagen konkret, an welcher Stelle Sie etwas ändern (abzwacken?) wollen!
Sehr geehrter Herr Taunspurger,
ich weiß nicht, wie Sie auf diese drastische Unterstellung kommen. Herr Ebert fragte mich, wie ich eine spezifische Aussage des neuen griechischen Finanzministers bezüglich der Verwendung der Gelder des Rettungspakets durch die Vorgängerregierung bewerte. Das habe ich mit der gebotenen Vorsicht getan – schließlich bin ich Abgeordnete des Bundestags und nicht des hellenischen Parlaments. Mir liegt daher nicht, über einzelne Aussagen als Lehrmeisterin zu befinden.
Auf Ihre Überlegungen möchte ich dennoch gern eingehen. Was die Reallohnzuwächse angeht, ist es Deutschland, das auf europäischer Ebene eine Sonderstellung einnimmt. Es hat in Deutschland trotz enormer Produktivitätszuwächse in den letzten Jahrzehnten faktisch keinen Reallohnzuwachs gegeben. Während der Finanzkrise sind die Löhne in Deutschland sogar gesunken. Deutschland konkurriert also mit seiner Niedriglohnstrategie seine Partner in der EU nieder.
Während der Finanzkrise sind Löhne und Gehälter in Griechenland um fast 30 Prozent gefallen. Bei einer Jugenderwerbslosigkeit von fast 50 Prozent! Möge sich jedeR ausrechnen, was dies für die eigenen Lebensbedingungen bedeuten würde, wäre er oder sie von derart drastischen Lohneinbußen betroffen. Dass dieser Kaufkraftverlust volkswirtschaftlich nicht ohne Effekte bleibt, liegt gleichfalls auf der Hand. Die Troika-Auflagen haben diese Situation noch verschärft. Mittlerweile vertritt auch die Forschungsabteilung des IWF die Position, dass die Austeritätsauflagen einen Schneeballeffekt ausgelöst haben. Die Erhöhung der Steuereinnahmen wäre die bessere Strategie gewesen, die aber nicht verfolgt wurde.
Ihre Aussagen über die Wohlfahrtseffekte einer funktionierenden Finanzwirtschaft sind, wenn Sie dies auf die realexistierende Finanzbranche des vorangegangene halben Jahrzehnt beziehen, mutig. Wir erleben global eine der größten Wirtschaftskrisen seit den 1930er Jahren. Diese ist durch das Platzen von Spekulationsblasen ausgelöst worden. Während die Gewinne vor der Krise privat eingefahren wurden, wurden die Bankenrettungen mit Steuergeldern finanziert.
Von daher stimmt es, dass dieses System Einigen enorme Wohlstandszuwächse verschafft hat. Dies ist aber nicht auf die Gesamtbevölkerung verallgemeinerbar. Nicht für Deutschland, wie Sie an der Reallohnentwicklung ersehen können, und global erst recht nicht.
Beste Grüße
Katja Kipping