Frage an Katja Kipping von Torsten L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Kipping,
der Landesvorstand der Bremer LINKEN hat sich gerade einer von Ihnen, Herrn Gysi und Herrn Riexinger verfassten Erklärung "Spirale der Eskalation muss durchbrochen werden" angeschlossen.
In dieser sichtlich um Äquidistanz zwischen Hamas und israelischer Regierung bemühten Resolution unterstellen Sie beiden Seiten, sie würden "gezielt alle Bemühungen, der palästinensischen und israelischen Bevölkerung den Weg in eine friedliche und stabile Zukunft zu ebnen" untergraben und verlangen "eine sofortige Waffenruhe zwischen Israel und den Palästinensern". Eine solche hat die Regierung Netanjahu gestern erklärt und mehrere Stunden durchgehalten, nicht indem Sie sich einem aus Ihrer Sicht unabdingbaren "massiven internationalen diplomatischen Druck" beugte, sondern auf eine entsprechende Initiative Ägyptens hin. Verweigert wurde sie von Hamas, die die Raketenangriffe auf israelische Städte fortsetzte.
"Im Unwillen zum Frieden sind sich Hamas-Führung und Netanjahus Regierungskoalition einig", behaupten Sie.
Bedarf diese Darstellung angesichts der tatsächlichen Verhältnisse nicht einer dringenden Revision?
Als "Friedensformel für die Region" proklamieren Sie das friedliche Miteinander eines demokratischen israelischen und eines unabhängigen lebensfähigen palästinensischen Staates. Einen demokratischen israelischen Staat gibt es ja schon. Sollte ein künftiger palästinensischer Staat nicht auch demokratisch sein? Und wäre es dann tatsächlich ein günstiger Moment, ihn gerade jetzt einzurichten und womöglich noch mit Mitteln auszustatten, wo dort in Teilen eine Clique von Islamisten herrscht, die nicht davon lassen will, die Bevölkerung im Nachbarland mit Raketen zu beschießen?
Vielen Dank vorab für eine qualifizierte Antwort!
Mit freundlichen Grüßen
Torsten Lambeck
Sehr geehrter Herr Lambeck,
besten Dank für Ihre Zeilen. Ich bezweifle in der Tat, ob das jetzige Kabinett um Ministerpräsident Netanjahu tatsächlich an einer nachhaltigen und für beide Seiten akzeptablen Friedenslösung interessiert ist. Den gleichen Zweifel hege ich gegenüber der Hamas-Führung. Ich bin mir aber sicher, dass es jenseits der Hardliner auf beiden Seiten eine große Mehrheit unter den Israelis und Palästinensern gibt, die das ewige Schießen und Morden satt haben. Sie gilt es zu unterstützen, auch moralisch, statt sich in selbstgerechter, einseitiger Parteinahme zu ergehen, wie dies leider in diesem sehr schwer überschaubaren Konflikt gang und gäbe geworden ist. Bekommen jedoch beide Seiten - Israelis und Palästinenser - den Krieg nicht aus ihren Köpfen, wo er seit über 60 Jahren tobt und wo seine Saat in jeder Generation neu gelegt wird, wird er auch auf den Schlachtfeldern weiter toben - völlig unabhängig von Ihrer oder meiner Meinung dazu. Dass ein palästinensischer Staat - wie jeder andere auch - ein demokratischer sein sollte, versteht sich von selbst.
Mit freundlichen Grüßen,
Katja Kipping