Frage an Katja Kipping von Ralf O. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Warum sind die Linkspartei, ob Sie, Gysi, Wagenknecht, Riexinger für den Erhalt des Euros und nicht wie Olaf Henkel von der AfD für einen Nordeuro? Laut Studie des langjährigen Eurobefürworters und des regierungsberatenden grössten deutschen Think Tank Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)führt der Euro zu mehr Divergenz statt Konvergenz, ist ein wettbewerbsfähiges Europa unter dem Euro wie Merkel das wie Sie propgaieren gar nicht möglich und werden auch die wettbewerbsfähigen Staaten durch Transferleistungen hinabgezogen.Der jetzioge Euro ist eine loose-losse-Situation für alle.Vergleiche:
http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2014_S07_hsh.pdf
Sind sie nicht der Ansicht, dass die von der AfD und dem SWP geforderte Nordeurozone Erleichterung für alle Europäer bringen würde?
Sehr geehrter Herr Ostner,
ganz einfach: weil wir eine gemeinsame Währung - hier den Euro - für eine gute Sache halten.
Was wird allerdings immer kritisiert haben ist, dass der Euro falsch konstruiert ist - und das schon von Anfang an. Wer eine einheitliche Geldpolitik möchte, der muss ebenso die Wirtschafts-, Sozial- und Fiskalpolitik in den einzelnen Mitgliedsländern koordinieren. Das ist aber nach wie vor eine gewaltige Fehlstelle - die zu den bekannten Problemen führt(e). Und gerade Deutschland hat solch eine engere Koordination übrigens immer blockiert. Die Folge: eine einheitliche Geldpolitik für eine Gruppe von Ländern mit recht unterschiedlichen Wirtschafts- und Unternehmensstrukturen und Arbeitsmärkten führt notwendigerweise dazu, dass sich die Unterschiede dieser Länder eher verstärken. Wie noch vor der Einführung des Euro können sich die Handelspartner auch nicht mehr durch Abwertung ihrer Währung gegen Lohn- und Steuerdumping wehren. Besonders deutlich wird diese Auseinanderentwicklung in den außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten in der Euro-Zone. Vor allem Deutschland hat seine Konkurrenten mit seiner aggressiven Exportorientierung in eine hohe Auslandsverschuldung gebracht.
Darum fordern wir eine grundlegende Reform der Eurozone und einen neuen Prozess der europäischen Kooperation, denn wir meinen, nur so lässt sich die Krise bewältigen. Europa braucht erstens eine Abkehr vom Lohn- und Sozialdumping, hin zu deutlich höheren Löhnen und Investitionen. Das verbessert die Zukunftsaussichten der Menschen und hilft der Wirtschaft, indem die Nachfrage gestärkt wird. Zweitens ist der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt grundlegend umzubauen, und zwar dahingehend, dass in Zukunft die Mitgliedsländer auf ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht verpflichtet werden. Auch hohe Leistungsbilanzüberschüsse sollten sanktioniert werden. Drittens muss nicht nur bei der Lohnpolitik, sondern auch bei der Steuerpolitik der Wettlauf nach unten beendet werden. Steuern auf Gewinne und Vermögen müssen deutlich angehoben werden, um Reichtum in Deutschland und in Europa fair umzuverteilen. Vermögensteuer und Vermögensabgabe sind einzuführen.
Beispielsweise im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 haben wir das alles - und vor allem auch unsere Lösungsvorschläge - in einem eigenen Kapitel sehr ausführlich beschrieben:
"Neustart der Europäischen Union: demokratisch, sozial, ökologisch, friedlich
DIE LINKE steht für einen Neustart der Europäischen Union. Gemeinsam mit anderen linken Parteien steht DIE LINKE für einen Politikwechsel in Europa: Für eine andere, eine bessere EU. Ausgangspunkte unserer Politik für die Weiterentwicklung der Sozial-, Wirtschafts- und Friedensunion sind Menschen, nicht Märkte, Solidarität statt brutaler Wettbewerb, Demokratie und Mitbestimmung statt elitärer Hinterzimmerdiplomatie. Wir wollen eine Europäische Union ohne Ausgrenzung, Armut und Krieg. Wir wollen eine EU, in der gut entlohnte und sozial abgesicherte Arbeit und ein Leben in Würde für alle gesichert ist. Wir wollen ein Europa, das nicht Massenarbeitslosigkeit, eine "verlorene Generation" der Jugend und massive Armut schafft, sondern soziale Missstände wie diese entschieden bekämpft. DIE LINKE steht gegen die Pläne aller anderen im Bundestag vertretenen Parteien, die EU-Kommission zu einem sanktionsbewehrten Kontrollinstrument der Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten zu machen. Wir wehren uns gegen die Logik einer weiteren Entmachtung der Parlamente - sie widerspricht demokratischen Traditionen in Europa. DIE LINKE hat den Vertrag von Lissabon abgelehnt und fordert eine grundlegende Veränderung der vertraglichen Grundlagen der EU, um die Voraussetzungen für eine demokratische, soziale, ökologische und friedliche Europäische Union zu schaffen.
Die Krise in Europa ist auch Ergebnis einer falsch ausgerichteten Konzeption der Europäischen Union. Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht gibt es eine umfassende neoliberale Ausrichtung, liegen die Schwerpunkte auf der Freizügigkeit des Kapitals und auf Wettbewerbsvorteilen der wirtschaftlich starken Länder. In der Vergangenheit sind Versuche gescheitert, gemeinsame soziale Standards oder Korridore zu definieren. Gleichzeitig werden auf der europäischen Ebene vermehrt Entscheidungen getroffen, die die Handlungsspielräume für nationalstaatliche Politik verringern. Für DIE LINKE stellt sich keine Entscheidung für oder gegen das eine oder andere - wir müssen sowohl in Europa als auch in Deutschland um gute soziale Standards ringen.
Auch wenn die Europäische Währungsunion große Konstruktionsfehler enthält, tritt DIE LINKE nicht für ein Ende des Euro ein. Voraussetzung für dessen Fortbestand ist, dass der Kurs der Austerität, der Kürzungspolitik, beendet wird. Es ist die Politik von Troika, Merkel & Co, die die Gemeinschaftswährung zerstört. Die Währungsunion muss vom Kopf auf die Füße gestellt und neu ausgerichtet werden, damit sie nicht die Spaltungen vertieft, sondern die Ungleichheiten überbrücken hilft und eine friedliche und fruchtbare Zusammenarbeit in Europa befördert. Dazu müssen die Kürzungsdiktate beendet und in Zukunft die Wirtschafts-, Fiskal,- Steuer-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitiken der Euro-Mitgliedsländer enger so abgestimmt werden, dass der heute vorherrschende Wettbewerb durch Steuer-, Sozial- und Lohndumping unterbunden wird. Mittels einer Europäischen Ausgleichsunion müssen die Euro-Staaten auf das Ziel ausgeglichener Handelsströme verpflichtet werden, bei dem nicht primär Länder mit hohen Lohnzuwächsen bestraft, sondern Länder mit zu niedrigen Lohnzuwächsen und abgesenkten Sozialstandards (Stichwort Agenda 2010 und Rente mit 67) wie insbesondere Deutschland zu höheren Lohn- und Sozialstandards aufgefordert werden. Die Antwort der europäischen Linken auf die Krise in Europa muss daher der gemeinsame Widerstand über Ländergrenzen hinweg - für höhere Löhne, bessere Sozialstandards und Arbeiterrechte - sein. In Deutschland ist ein Strukturwandel erforderlich, der von der Exportorientierung hin zu einer deutlichen Stärkung der Binnenwirtschaft mit gut abgesicherten und vergüteten Arbeitsplätzen umsteuert. Ein solcher Wandel, der der großen Mehrheit der Beschäftigten und Erwerbslosen in Deutschland deutlich zugutekommen würde, wäre zugleich der beste Beitrag für eine Entschärfung der Euro-Krise, denn höhere Löhne und Sozialleistungen in Deutschland reduzieren den Druck zu Sozial- und Lohnkürzungen in den anderen Euro-Ländern.
DIE LINKE steht für einen Neuanfang in Europa und einen grundlegenden Politikwechsel der Europäischen Union. In der EU wird Wettbewerb kontrolliert - wir wollen, dass die Einhaltung von sozialen Vorschriften EU-weit überprüft und Verstöße dagegen geahndet werden.
Gewerkschaften und Tarifverträge müssen europaweit gestärkt werden.
Sozialstaatlichkeit muss zu den Zielen und Werten der EU gehören und höchste Priorität bei der Umsetzung der EU-Politiken haben. In die Verträge muss eine "Soziale Fortschrittsklausel" aufgenommen werden, die den sozialen Grundrechten Vorrang vor den "Grundfreiheiten" des Kapitals gibt.
Wir wollen, dass Lohndumping in der EU abgeschafft wird. Lohn-, Steuer- und Sozialpolitik müssen in diesem Sinne aufeinander abgestimmt werden.
Um mit dem finanzgetriebenen Kapitalismus zu brechen, bedarf es eines Neuanfangs in eine demokratisch kontrollierte wirtschaftliche Entwicklung.
Es müssen sofort wirksame Schritte gegen Massenarbeitslosigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit der Jugend in den Krisenländern eingeleitet werden. Dazu fordert DIE LINKE ein Investitionsprogramm, das vor allem auf Entwicklung im Bereich öffentlicher und sozialer Dienstleistungen und sozial-ökologische Konversion setzt. Der DGB hat dazu einen "Marshall-Plan für Europa" vorgeschlagen.
Die Europäische Union muss zu einer tatsächlich demokratischen, sozialen, ökologischen und friedlichen Union umgestaltet werden. Die Vertragsgrundlagen der Europäischen Union sind dafür nicht geeignet.
Wir wollen eine Europäische Union, die Wohlstand und Wohlfahrt für alle fördert. DIE LINKE fordert gemeinsam mit den Gewerkschaften eine soziale Fortschrittsklausel in den EU-Verträgen. Soziale Grundrechte und die Tarifautonomie müssen Vorrang vor den Binnenmarktfreiheiten haben. Sozialstaatlichkeit muss in den EU-Verträgen neben Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geschützt werden.
Die in jüngster Zeit im Europäischen Rat verstärkt propagierte Schaffung einer "Echten Wirtschafts- und Währungsunion" zielt auf einen noch stärkeren Sozialabbau und eine weitere Entdemokratisierung durch Einschränkung der Rechte der nationalen Parlamente und die weitgehende Ausschaltung des Europäischen Parlaments. Durch die immer stärkere Ersetzung von Unionsrecht durch Vereinbarungen zwischen EU-Organen und Mitgliedstaaten findet eine zugleich eine weitere Desintegration der EU statt. Ähnliche Vorstellungen hat Bundeskanzlerin Merkel mit dem von ihr vorgeschlagenen "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" auf dem "Wirtschaftsgipfel" in Davos vertreten. Beidem wird DIE LINKE mit Entschiedenheit entgegentreten.
Von der neuerdings vielfach geforderten Freihandelszone zwischen der EU und den USA erwarten wir keine positive Entwicklung. Besonders im Bereich der Landwirtschaft ließe die unbeschränkte Einfuhr gentechnisch behandelter Produkte unüberschaubare Konsequenzen befürchten. Auch erwarten wir eine verschärfte Konkurrenz zwischen den jeweiligen Großunternehmen in den USA und Deutschland zu Lasten einer notwendigen aufholenden Entwicklung der EU-Mitgliedstaaten mit aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Besonders im Bereich der Finanzdienstleistungen ist zudem eine völkerrechtliche Zementierung von Niedrigstandards - wie etwa im US-Staat Delaware - zu befürchten. Auf keinen Fall kann akzeptiert werden, dass die Daseinsvorsorge uneingeschränkt Gegenstand ungeregelter Weltmarktkonkurrenz wird.
Die Rechte des Europäischen Parlaments wollen wir stärken und basisdemokratische Elemente in der EU schaffen und ausbauen. In der EU müssen verbindliche Volksbegehren und Volksentscheide möglich werden, mit denen auch die EU-Verträge geändert werden können.
Der Neuanfang Europas setzt eine grenzüberschreitende Verständigung von "unten" über die gemeinsamen Interessen und Ansprüche voraus. Um Demokratie zu verwirklichen, müssen die Beschäftigten, Gewerkschaften und andere soziale Bewegungen ihre Kämpfe in Europa koordinieren und intensivieren Wir wollen Mindestregelungen für ein europäisches Tarif- und Sozialsystem hinarbeiten. Dabei müssen die besonderen deutschen Restriktionen des Streikrechts beseitigt werden: Das Recht auf politischen Streik muss in ganz Europa ausgeübt werden können.
Eine demokratische Öffentlichkeit in Europa bedarf der Schaffung europaweiter öffentlich-rechtlicher Medien, Plattformen und eines gleichberechtigten Zugangs für politische und soziale Kräfte.
Insbesondere die deutsche Regierung drängt, die Märkte in der EU über die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu stellen."
Mit freundlichen Grüßen,
Katja Kipping