Frage an Katja Kipping von Jens R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Kipping,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort zu meiner Frage vom 18.11.2013.
Ihre Antwort beseitigt jedoch nicht die Bedenken, die ich bezüglich der Steuerpolitik der Partei Die Linke habe.
Stellen Sie sich vor, jemand hätte die 5 Mio. Einkommen aus dem genannten Beispiel unter Einsatz von 25 Mio. Euro Vermögen (z.B. aus einem Lottogewinn) erwirtschaftet, indem er die Summe in eine Firma investiert.
Die Linke möchte von diesem Vermögen einen Anteil von 5% auf 24 Mio. Euro. Die Vermögensteuer würde mit 1,2 Mio. Euro zu Buche schlagen. Von den 1.038.400 Euro Netto des Einkommens würde dann ein Verlust von 161.600 Euro bleiben.
Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bedenken verweise ich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 (Az: 2 BvL 37/91) und hier insbesondere auf den 3. Leitsatz.
Die Linke möchte übrigens darüber hinaus noch eine einmalige Abgabe in Höhe von zehn bis 30 % auf Privat- und Betriebsvermögen.
Sind Sie angesichts dessen immer noch der Ansicht, dass gegen die Steuerpläne der Partei Die Linke verfassungsrechtliche Bedenken nicht erkennbar sind?
Mit freundlichen Grüßen
Jens Reimann
Sehr geehrter Herr Reimann,
vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Es ist richtig, dass unser Konzept für die Wiedereinführung der Vermögensteuer gezielt das Vermögen von Millionären zur Finanzierung des Gemeinwesens und zur Entlastung von mittleren und kleinen Einkommen heranziehen will. Wer weniger als eine Million Euro Vermögen hat, zahlt grundsätzlich keine Vermögensteuer. Vermögen oberhalb einer Million Euro wollen wir mit einem Steuersatz von fünf Prozent besteuern (evtl. darauf lastende Schulden werden aber abgezogen, das ist vor allem bei Betriebsvermögen relevant). Bei einem Vermögen von zwei Millionen Euro müssten zum Beispiel 50.000 Euro Steuern im Jahr bezahlt werden.
Ich finde das eher moderat, nicht sonderlich radikal. Wenn man bedenkt, wie mittlere Einkommen derzeit steuerlich belastet werden, wäre eine solche Vermögensteuer ein angemessener Beitrag zu einem gerechten Steuersystem. In Ihrem fiktiven Fallbeispiel gehen Sie von einem Vermögen von 25 Millionen Euro aus. Daraus wird ein Einkommen von 5 Millionen Euro erwirtschaftet. Nicht schlecht! Ich finde ja, dass man Einkommen und Vermögen solcher Größenordnung nicht wirklich „verdienen“ kann. Mit „Leistung“ ist das nicht darstellbar. Mit Lotto spielen schon eher.
Abgesehen davon: Meinen Sie nicht, wir sollten diejenigen, die ein solches Vermögen besitzen, deutlich stärker besteuern? Ich finde schon. Sie gehen in Ihrem Beispiel davon aus, dass sich das Vermögen in diesem Zeitraum nicht vermehrt. In der Regel ist dies aber anders. Spätestens mit den Untersuchungen des französischen Ökonomen Thomas Piketty ist es deutlich geworden, dass sich Vermögen sehr schnell vermehren kann, dass sich mit Geld sehr viel mehr Geld verdienen lässt als mit Arbeit.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen unser Steuerkonzept sehe ich nicht. Seinerzeit beanstandete das Bundesverfassungsgericht vor allem die Ungleichbehandlung der Vermögensarten. Unter anderem
auch deshalb darf bei einer Wiedereinführung der Vermögensteuer Betriebsvermögen nicht herausfallen. Ansonsten steht man vor demselben Problem.
Zum Betriebsvermögen sieht unser Konzept einerseits Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen vor. Hier gibt es einen erhöhten Freibetrag von fünf Millionen Euro (der u.U. auch in Ihrem Beispiel greifen könnte). Andererseits wäre es politisch falsch, Betriebsvermögen grundsätzlich nicht zu besteuern. Dies würde vor allem die Superreichen schonen, deren Vermögen überwiegend aus Anteilen an großen Unternehmen besteht. Das Problem der übermäßigen Begünstigung von Betriebsvermögen haben wir bereits bei der Erbschaftsteuer. Derzeit prüft auch das Bundesverfassungsgericht diese Schieflage.
Aus Sicht der LINKEN brauchen wir in Deutschland endlich eine gerechte Besteuerung von großen Vermögen und Spitzeneinkommen. Im internationalen Vergleich werden große Vermögen in kaum einem anderen Industrieland so geschont wie in Deutschland. Anfang des Jahres bestätigte auch eine Studie des Deutschen Wirtschaftsinstitutes, dass in keinem anderen Euro-Land die Vermögen so extrem ungleich verteilt sind wie in Deutschland.
Diese Entwicklung hat sich seit der Krise noch einmal verschärft. Zudem ist der Staat – auf Bundesebene, aber vor allem auch in den Ländern und noch dramatischer in der Kommunen – hoch verschuldet. Banken wurden mit Steuergeld gerettet, die Wirtschaft musste aufgrund der Krise gestützt werden.
Die Staatsverschuldung ist von 1,5 Billionen im Jahr 2005 auf 2,1 Billionen Euro im vergangenen Jahr gestiegen. Wir finden, dass die Verursacher der Krise - viele haben sogar von ihr profitiert - nur unzureichend an den Kosten beteiligt wurden. Deshalb wollen wir eine einmalige Abgabe auf Vermögen oberhalb einer Million Euro einführen.
Derzeit diskutiert die Große Koalition über die Abschaffung der sogenannten kalten Progression. Ich vermute, das liegt eher an den bevorstehenden Landtagswahlen als am politischen Willen. DIE LINKE kämpft dagegen schon seit Jahren für eine Entlastung der Mitte der Gesellschaft. Wir wollen Steuergerechtigkeit, die geht aber nur mit deutlich höheren Steuern auf Millionärsvermögen, Spitzeneinkommen, Kapitalerträge und große Erbschaften.
Mit freundlichen Grüßen,
Katja Kipping