Frage an Katja Kipping von Ralf O. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Kipping,
warum versucht die Linke und die anderen politischen Parteien die AfD in die rechtsradikale Ecke zu stellen? Ist es falsch, wenn man vor einer "Sakrilarisierung" und "Finalisierung" Europas warnt, vor einem EU-Zentralstaat, der eine Bankenunion, eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung und Eurobonds möchte wie dies die Linke und SPD/Grüne tun?In diesen Punkten ist die AfD doch der wichtige Kontrapunkt. Warum kritisieren Sie die AfD nicht für das, was sie ist: Eine neoliberale Partei, die sich nach dem Vorbild David Camerons und Grossbritanniens orientiert: Für NATO, für TAFTA, gegen Mindestlöhne, für mehr Freiheit der Märkte und Unternehmer, für mehr nationale Macht ausser des EU-Binnenmarktes,für Militäreinsütze in Nordafrika "von Tunis bis Bengasi".Haben Sie das außenpolitische Positionspapier von Alexander Gauckland schon gelesen, das mehr Bismarck für die deutsche Außenpolitik fordert und nähere Kontakte mit Russland bef ürwortet?Was ist daran falsch?Geht die AfD hier nicht einen außenpolitischen Mittelweg, der die Saturierung Bismarcks als Vorbild hat? Was kritisiert die Linkspartei konkret am außenpolitischen Positionspapier der Afd?
Sehr geehrter Herr Ostner,
vielen Dank für Ihre erneute Frage. Die AfD positioniert sich selbst durch ihr politisches Personal und durch ihre politischen Positionen am äußersten rechten Rand des Parteienspektrums. Personell bedient man sich gerade auf Landes- und Kommunalebene bei anderen gescheiterten Rechtsparteien und -zusammenschlüssen. Zu beobachten ist das beispielsweise in Sachsen, wo sich bei der AfD Personen sammeln, die z.B. früher bei der verbotenen Naziorganisation „Wikingjugend“ aktiv waren oder die es in ultrarechten Burschenschaftskreisen wohl noch sind. Ebenfalls in Sachsen wird der ursprünglich als Alterspräsident vorgesehene AfD-Landtagsabgeordnete Spangenberg dieses Amt nicht antreten. Ausschlaggebend war seine frühere Mitgliedschaft in einer extrem rechten Gruppierung. Dies sind keine Einzelfälle.
Vermutlich gibt es zwar auch in der AfD Konservative und Rechtsliberale, die keine Sympathien für solche Leute haben. Dennoch ist offensichtlich, dass die AfD das Problem nicht im Griff hat, wenn sie es denn überhaupt versucht.
Und gerade in Sachsen hat man sich bemüht, mit Rhetorik und Forderungen auch eine ganz bestimmte Klientel anzusprechen - verschiedene Parolen glichen denen der NPD zum Verwechseln, hier genannt sein nur das Stichwort "Weltsozialamt". Und wenn die Spitzenkandidatin Petry erklärte, dass "jede normale deutsche Familie" mindestens drei Kinder bekommen und Schwangerschaftsabbrüche härter bestraft werden müssen, und auf der anderen Seite diskutiert wurde, dass die Kinder von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft weniger Kindergeld erhalten sollen, dann ist meines Erachtens klar, auf wessen Beifall man da zielte. Auch die Klage darüber, dass in Lehrplänen der Nationalsozialismus zu viel Raum einnehmen würde, passt in dieses Bild. Man kann daher schwerlich davon reden, dass irgendjemand die AfD zu Unrecht in eine rechte Ecke drängen wollte. Bisher erledigt das die AfD schon ganz allein.
Dass Herr Gauland jetzt während des Landtagswahlkampfs in Brandenburg, das bekanntermaßen die letzten Jahren vergleichsweise links gewählt hat, in Briefen scheinheilig vermutete Gemeinsamkeiten mit uns betont, ändert daran nichts.
Wenn meine Partei z.B. viel Kritisches zur EU sagt, so tun wir dies aus komplett anderen Beweggründen - und mit komplett anderen Vorschlägen. Uns stört beispielsweise an der EU nach heutigem Muster, dass sie in vielem undemokratisch strukturiert ist, dass sie zu allererst als wirtschafts- und als Militärunion verstanden wird und eben nicht die ArbeitnehmerInnen und sozial Ausgegrenzte schützt - nachzulesen z.B. in unserem Bundestagswahlprogramm 2013: http://www.die-linke.de/wahlen/archiv/archiv-fruehere-wahlprogramme/wahlprogramm-2013/wahlprogramm-2013/ii-die-krise-ueberwinden-demokratie-und-sozialstaat-verteidigen-hier-und-europaweit/neustart-der-europaeischen-union-demokratisch-sozial-oekologisch-friedlich/ . Die AfD - eine, wie Sie richtig schreiben, aus wirtschaftspolitischer Sicht neoliberal orientierte Partei - will aber genau das, was wir kritisieren, erhalten. Von Demokratisierung oder gemeinsamen sozialen Standards ist hingegen nichts zu hören.
Noch kurz zum erwähnten Thesenpapier, auch wenn es nach meiner Kenntnis bisher nicht von Gremien der AfD als Position beschlossen wurde: Gauland äußert sich in dem Papier moderater als früher, als er noch davon sprach, dass die großen Fragen der Zeit „Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse entschieden [werden], sondern durch Eisen und Blut" und das „gestörte Verhältnis [der Deutschen] zu militärischer Gewalt“ beklagte.
Auf den knapp zwei A4-Seiten, die der Kürze entsprechend keine außenpolitische Strategie sind und dementsprechend vieles offen lassen, spricht er zwar einerseits davon, dass Deutschland nicht am Hindukusch verteidigt werde. Da er im nächsten Atemzug aber erwähnt, dass dies aber sehr wohl in Bengasi und Tunis der Fall sein könne, kann ich keine grundsätzliche Abkehr von einer militarisierten Außenpolitik erkennen. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass hier deutsche Interessensphären geographisch anders verortet werden, als es z.B. die derzeitige Regierung tut.
DIE LINKE hingegen fordert eine grundsätzlich andere Außenpolitik, die sich als Friedenspolitik begreift. Falls Sie die Details nachlesen möchten, so empfehle ich dazu z.B. ebenfalls unser Programm zur Bundestagswahl 2013 http://www.die-linke.de/wahlen/archiv/archiv-fruehere-wahlprogramme/wahlprogramm-2013/wahlprogramm-2013/iii-friedlich-und-gerecht-in-der-welt-nein-zum-krieg/
.
Mit freundlichen Grüßen,
Katja Kipping