Frage an Katja Kipping von werner b. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
guten tag frau kipping,
ich bin nun schon seit vielen jahren wähler der linkspartei, was unter anderem an der politik gerhardt schröders von der spd lag.
nun lese und höre ich immer wieder, das man herr steinbrück umwirbt, das lese ich als wähler der linken mit befremden. er ist der politische ziehsohn von gerhardt schröder und seeheimer, dazu bilderberger, ein konservativer der im wahlkampf kreide frisst u.a. auch um die linke überflüssig zu machen, indem er vermehrt themen und aussagen der linken einfach kopiert.
wie können sie diesem mann vertrauen und wie denken sie sich das, wie die linke aus einer möglichen koalition wieder rauskommt, wenn die spd in regierungskoalition wieder ihr wahres gesicht zeigen wird ?
für viele linke ist das ziemliche anbiederei an rot-grün und könnte mehr schaden als nützen, siehe 1998 und 2002 und ehrlich zu sagen macht sich die linke damit auch ziemlich lächerlich.
in niedersachsen hat dieses konzept auch nicht funktioniert, da haben linke gleich rot-grün gewählt oder sind erst gar nicht zur wahl gegangen. das problem seh ich bei der bundestagswahl auch kommen, wenn die linke weiter rot-grün unnötig pusht und wähler zu verstehen gibt, wenn die linke die spd wieder für links hält, dann sind sie auch wieder wählbar für linke.
ganz gefährliches spiel was sie da betreiben. die linke hat ne sehr gute arbeit im bundestag geleistet, viele kleine anfragen zu wichtigen themen gestellt, das sollte man weiter fortführen und damit im wahlkampf auch werben, was man alles geleistet hat.
mfg
werner
Lieber Werner Braun,
zunächst einmal vielen Dank für Ihr Lob zu unserer Arbeit im Deutschen Bundestag.
Es freut mich auch, dass Sie sich mit dieser Frage direkt an mich wenden und kann auch Ihre Annahme stützen: Die LINKE wird gewählt, weil sie authentisch für soziale Gerechtigkeit streitet und nicht, weil sie Koalitionspartner von irgendwem ist. Sie brauchen sich auch aber in diesem Punkt nicht zu sorgen. Unser Wahlkampf und unsere Politik werden darauf ausgerichtet sein, deutlich zu machen, dass es einen Wechsel zur sozialen Politik nur gibt, wenn die LINKE wieder stark in den kommenden Bundestag einzieht.
Sie fragen zudem völlig zu Recht, ob die SPD wieder glaubwürdig für eine soziale Politik steht. Das sollten aber am besten Wählerinnen und Wähler bewerten. Uns als LINKE geht es um konkrete Verbesserungen für die Menschen. Deshalb nehmen wir die sozialere Rhetorik der SPD zur Kenntnis. Ebenso wie Sie habe ich aber Zweifel, dass den markigen Worten entsprechende Taten folgen werden. Denn es wäre ja nicht das erste Mal, dass die SPD vor der Wahl links blinkt, um dann später ganz scharf nach rechts abzubiegen. Skeptisch macht mich auch, dass die SPD immer noch nicht bereit ist, die negativen soziale Auswirkungen der Agenda 2010, deren Beschluss sich in wenigen Tagen zum zehnten Mal jährt, anzuerkennen. Wie z.B. erst kürzlich eine Studie der Böckler-Stiftung gezeigt hat, stagnieren die Reallöhne in Deutschland seit der Einführung der Agenda 2010, während die Vermögenseinkommen rasant gestiegen sind. (vgl.
http://www.boeckler.de/cps/rde/xchg/hbs/hs.xsl/42128_42150.htm ). Diese Studie verdeutlicht, wie verheerend die Politik von Rot-Grün und Kanzler Schröder nicht nur für die Beziehenden von Hartz 4, sondern insbesondere auch auf die Einkommen der Normalverdienenden gewirkt hat.
Aber könnte sich die SPD z.B. zur Einführung eines ausreichenden gesetzlichen Mindestlohns sowie einer individuellen sanktionsfreien Mindestsicherung - die Armut tatsächlich verhindert - entschließen und würde sie die Rente mit 67 zurücknehmen und Reichtum couragiert besteuern sowie eine Angleichung der Ost- an die Westrenten bzw. der Ost- an die Westlöhne unterstützen und zukünftig für eine friedliche Außenpolitik streiten - also die Beendigung aller Auslandseinsätzen der Bundeswehr und einen Stopp der Rüstungsexporte einleiten - dann würden wir als LINKE einem solchen grundlegenden Politikwechsel nicht im Wege stehen. Das ist der Punkt, auf den ich immer wieder verweise: Letztlich entscheiden die Inhalte, ob eine Zusammenarbeit mit der SPD möglich ist. SPD-Parteichef Gabriel und Kanzlerkandidat Steinbrück erklären nun aber immer wieder, dass eine Koalition mit uns ausgeschlossen sei. Übrigens: eine Koalition mit der FDP schließen Gabriel und Steinbrück nicht aus. Schon allein dies zeigt an, dass erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der SPD, auch nach der Wahl eine sozialere Politik umzusetzen, angebracht sind.
Wir haben als LINKE viel erreicht, weil wir in den vergangenen Jahren mit aller Kraft für eine sozialere Politik gestritten haben. Wir haben, indem wir soziale Missstände thematisierten und Alternativen aufzeigten, die anderen Parteien unter Zugzwang gesetzt. Nur ein Beispiel: Als wir 2005 den Mindestlohn erstmals zu einem Schwerpunkt unseres Wahlkampfs erhoben, wurden wir von den anderen Parteien und zum Teil sogar aus der Gewerkschaftsbewegung angefeindet. Heute erweckt die SPD den Eindruck, als sei sie die Erfinderin des Mindestlohns. Selbst in der Union ist die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns kein Tabu mehr. Das zeigt, dass man durch ein engagiertes Eintreten für eine soziale Politik auch als Opposition eine Menge bewirken kann. Das werden wir natürlich auch im Wahlkampf deutlich machen, damit wir im nächsten Bundestag wieder 100%ig für eine soziale Politik streiten können.
Ich hoffe dabei natürlich auf Ihre Unterstützung!
Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping