Frage an Katja Kipping von Dominique L. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Kipping,
mich würde interessieren, wie die Politik Betriebe in Deutschland halten möchte, sollten erhöhte Besteuerungen, sowie die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns durchgesetzt werden.
Wirtschaftlich erfolgreiche Betriebe stünden in der Schere zwischen höheren Personalkosten auf der einen Seite, sowie höheren Besteuerungen (im Sinne der von den Linken intendierten Umverteilung) auf der anderen Seite.
Besteht nicht die Gefahr, dass wirtschaftlich "Leistungsträger" abwandern ?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Beste Grüße, Dominique
Sehr geehrte/r Frau/Herr Lambert,
eine überwältigende Mehrheit der Menschen in Deutschland befürwortet die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns. Mittlerweile beschäftigen sich ja sogar CDU und FDP gezwungenermaßen mit dem Thema – vermutlich auch vor dem Hintergrund, dass man gerade in Wahljahren gut daran tut, den Bevölkerungswillen nicht ganz außer Acht zu lassen.
Aus Sicht der LINKEN ist ein gesetzlicher Mindestlohn in ausreichender Höhe unabdingbar. Denn gerade vor der Drohkulisse Hartz IV und ohne gesetzlichen Mindestlohn konnten und können Unternehmen leichter Löhne drücken und Arbeitsbedingungen verschlechtern. Heute ist es ja quasi so, dass Betriebe, die Lohndumping betreiben das Ganze noch staatlich subventioniert bekommen; Firmen hingegen, die ihre Beschäftigten ordentlich entlohnen, sind die Dummen.
Fakt ist, das heute mehrere Millionen Beschäftigte unter der Niedriglohngrenze arbeiten (2010 lag diese bei 10,36 Euro Brutto), viele Beschäftigte arbeiten sogar zu Stundenlöhnen unter 5 Euro. In der Folge müssen diese geringen Einkommen staatlich aufgestockt werden. Betrachtet man zudem den Umstand, dass auf niedrige Löhne karge Renten folgen, wird die Notwendigkeit noch deutlicher. Der Mindestlohn muss zwingend oberhalb des Existenzminimums von vollzeitbeschäftigten Alleinstehenden liegen - daher ist ein einheitlicher und flächendeckender Mindestlohn von mindestens 10 Euro notwendig. Jeder und jede Beschäftigte hat das Recht auf einen angemessenen Lohn, unabhängig davon, in welcher Branche oder Region er oder sie arbeitet.
Argumente, denen zufolge ein Mindestlohn zu Arbeitsplatzverlusten führt, sind angesichts der mittlerweile breiten empirischen Forschung zu diesem Sachverhalt nicht haltbar. So hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Reihe von Studien in Auftrag gegeben, um die Beschäftigungseffekte der bestehenden Branchenmindestlöhne zu erforschen. Diese kommen allesamt zu dem Ergebnis, dass keine negativen Beschäftigungseffekte zu erkennen sind. Es gibt auch neuere Forschungen zum Zusammenhang von Mindestlöhnen und Beschäftigung in Großbritannien und den USA – auch diese kommen zu dem Ergebnis, dass Mindestlöhne nicht zu negativen Beschäftigungseffekten führen.
Ganz im Gegenteil: ein Mindestlohn trägt dazu bei, dass die Kaufkraft steigt und somit auch die Umsätze von Unternehmen steigen, die auf die Binnennachfrage angewiesen sind – das kommt dann vielen Firmen direkt zugute, besonders kleinen bzw. dem Mittelstand. Nach einer Berechnung der PROGNOS AG würde ein Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde die Realeinkommen um 17,7 Mrd. Euro erhöhen. Das könnte dieser Untersuchung zufolge zu positiven Beschäftigungseffekten in Höhe von mehr als 200 000 Arbeitsplätzen führen. Im Gegenzug werden ca. 2,5 Mrd. Euro an aufstockenden Leistungen für erwerbstätige Leistungsbeziehende eingespart – Steuermittel wohlgemerkt! Zählt man noch die infolge der Lohnerhöhungen steigenden Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen mit, beliefe sich der gesamtfiskalische Effekt sogar auf circa 13 Mrd. Euro.
Horrorszenarien, wie sie gern von Arbeitgeberverbänden und Wirtschaftskreisen gezeichnet werden, sind also nicht zu befürchten.
Und auch wenn wir uns bei der Höhe des Mindestlohnes (noch) nicht einig sind, so kann ich doch zum Weiterlesen nach wie vor noch die Kampagnenseite des DGB empfehlen - https://www.mindestlohn.de .
Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping