Portrait von Katja Kipping
Katja Kipping
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Katja Kipping zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Thomas R. •

Frage an Katja Kipping von Thomas R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kipping,

seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit dem SGB II und der damit verbundenen beabsichtigten Absicherung des menschenwürdigen Existenzminimums. Mich interessiert dabei besonders die Auswirkung auf den Einzelnen und auf die Gesellschaft. In diesem Zusammenhang habe ich einige Einzelschicksale kennengelernt und studiere seit 2005 Statistiken, die auf eine starke Verunsicherung einer breiten Bevölkerungsmasse schließen lassen. Im Gegensatz zu kurzfristigen sind dauerhafte Existenzängste sehr schädlich für den Menschen. Entscheidend dabei sind die subjektiven Empfindungen - die (un)bewusst mit den offiziell verkündeten Absichten im Hirn "konkurrieren".

Am 9. Februar 2010 gab es zum SGB II ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts bzgl. der Berechnungsgrundlage der Hartz4-Regelsätze.

Link zum Urteil:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/ls20100209_1bvl000109.html

Aus dem Urteil resultierte eine Neuberechnung der Regelsätze. Aus den Leitsätzen des Gerichts geht hervor, dass das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum eigenständige Bedeutung hat. Deshalb sind aus meiner Sicht § 31, SGB II, Absenkung und Wegfall des Arbeitslosengeldes II und § 32, SGB II, Absenkung und Wegfall des Sozialgeldes ebenfalls verfassungswidrig. Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum wird ganz klar verletzt, da eine praktizierte Absenkung des Existenzminimums die eigenständige Bedeutung unzulässig aufhebt.

Auch wenn das damalige Verfahren die Sanktionsparagrafen (§ 31 und 32, SGB II) nicht beleuchtet hat, sollte die Politik reagieren. Es kann nicht sein, dass der Gesetzgeber nur scheibchenweise grobe Fehler bereinigt und immer nur auf Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts reagiert.

Arbeitet die Bundesregierung an einer Neuregelung und/oder gibt es für die Zwischenzeit eine Behördenweisung, damit die Sanktionen ausgesetzt werden? Wie ist Ihre innere Einstellung zum Thema?

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Reichel

Portrait von Katja Kipping
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Reichel,

die Partei DIE LINKE teilt voll und ganz Ihre Auffassung und hatte sich insofern u.a. im Bundestagswahlprogramm für die Abschaffung der Sanktionen ausgesprochen.

Die Fraktion DIE LINKE hat demgemäß im Deutschen Bundestag einen Antrag zur Abschaffung aller Sanktionen und Leistungskürzungen im SGB II und im SGB XII eingebracht (Bundestagsdrucksache 17/5174). Diesem Antrag hat im Ausschuss für Arbeit und Soziales leider keine der anderen Fraktionen zugestimmt. Die endgültige Abstimmung im Plenum steht allerdings noch aus. Sie wird aber sicherlich nicht anders ausfallen, wenn nicht bis dahin politischer Druck ausgeübt wird. Die schwarz-gelbe Bundesregierung selbst wird sicher die Sanktionsregelungen aus eigenem Antrieb heraus nicht abschaffen - im Gegenteil: sie hat diese ja fortlaufend verschärft -, gleiches gilt insbesondere auch für die Koalitionsfraktionen.

Daher wäre es schön, wenn Sie sich mit Ihrem berechtigten Anliegen an die Abgeordneten der anderen Fraktionen und an die Bundesregierung wenden würden.

Mit freundlichen Grüßen

Katja Kipping