Frage an Katja Kipping von Beate R. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Kipping,
die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist regional sehr unterschiedlich verteilt. Das Grundgesetz verpflichtet die Legislative die Unterschiede zwischen den Regionen hinsichtlich der sozialen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen nicht zu ungleich werden zu lassen.
Dazu bedarf es eines statistischen und wirtschaftspolitischen Instrumentenkastens.
Die wirtschaftliche Krise ist noch längst nicht überwunden.
Das Niveau des produzierenden Gewerbes liegt bei 93,6% des dritten Quartals 2008.
In der Zunahme der öffentlichen und privaten Dienstleistungen spiegelt sich die Zunahme von Mini- und Teilzeitjobs wieder.
http://www.tvdvring.de/html/kommentar.html
Meine Frage: Wieviel % der Haushalte, mit Mitgliedern im erwerbsfähigen Alter zwischen 16 und 64 Jahren sind im Ruhrgebiet und in Bayern arbeitslos?
Wie entscheidet die Legislative welche Mittel in welcher Form in welche Regionen fliessen sollen?
Worauf stützt sich diese Entscheidung?
Im Ruhrgebiet warten viele seit 30 Jahren vergebens auf den ´Investor´.
In welcher Form will die Linke , die notwendigen Immitations- und Innovationszyklen in wachstumsschwachen Regionen in Gang bringen?
Wird es jemals eine Stiftung Genossenschaftsbetriebe ausgestattet mit einem Anfangskapital von 100 Milliarden Euro geben, wie sie z. B. John Stuart Mill forderte um den Gegensatz von Kapital und Arbeit zu lindern?
Ich glaube, dass die Menschen arbeiten wollen.
Sehr geehrte Frau Richter,
die offiziellen Daten zur Arbeitslosigkeit finden Sie für Bund, Länder und Kreise auf den Statistikseiten der Bundesagentur für Arbeit, ungeschönte Statistiken zu Erwerbslosigkeit veröffentlichen wir monatlich unter www.linksfraktion.de oder auch auf meiner Webseite, aktuell dazu http://www.katja-kipping.de/de/article/672.aus-der-statistik-gefallen-erwerbslose-fehlen.html ). Eine Auswahl für April 2011 aus unserem Angebot finden Sie anhängend.
Es fließen verschiedene Mittel auf komplizierten Wegen in die Regionen, auf Erwerbslosigkeit bezogen z.B. am Beispiel Eingliederungsmittel 2011 im SGB II nach der sogenannten Eingliederungsmittelverordnung, die Finanzen auf 437 "Jobcenter" und 16 Länder verteilt. Wie das allein für diesen einen Bereich funktioniert, können Sie nachlesen unter http://biaj.de/images/stories/pdf/101230_sgb2-eingliederungsmittel-2011.pdf oder auch im Anhang.
Wenn Sie wissen möchten, wofür das jeweilige Jobcenter diese Mittel eingesetzt hat, müssten Sie sich dann vor Ort z.B. nach dem "Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2011" und auch nach den Umschichtungen zwischen dem Eingliederungs- und Verwaltungskostenbudget der Jobcenter erkundigen.
Und um ganz aktuell im Hinblick auf Ihre weiteren Fragen zu werden: In unserem kürzlich beschlossenen Bundestagswahlprogramm beschäftigen wir uns auch intensiv mit der Frage, wie man z.B. auch das Ruhrgebiet besser fördern und entwickeln kann. Neben Vorschlägen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur oder arbeitsmarktpolitischen Vorstellungen haben wir unter der Überschrift "Ein neues Solidarversprechen für die Regionen in Ost und West" auch ein Kapitel aufgenommen, welches besonders unsere Vorstellungen zur einer Entwicklung "strukturschwacher Regionen" beinhaltet:
"Nicht nur zwischen sozialen Schichten, sondern auch zwischen ganzen Regionen überall in Deutschland bildet sich ein zunehmendes Gefälle heraus. Und es verstärkt sich weiter. Aufstieg und Wachstum einerseits mögen verdecken, dass andererseits Abstieg und Prekarisierungsprozesse ganzer Regionen stattfinden. Das gilt für die gesamte Bundesrepublik. So ist Ostdeutschland mittlerweile nicht mehr die größte geschlossene Krisenregion Deutschlands, sondern zu einem Flickenteppich von Regionen mit prekärem Status einerseits und Gebieten mit Zukunftschancen und relativer Stabilität andererseits geworden. Auch im Westen bilden sich vergleichbar prekäre Regionen heraus. Das macht die Sache nicht besser, aber es macht deutlich, dass wichtige soziale Differenzen heute und zukünftig nicht mehr allein vor dem Ost-West-Hintergrund zu erfassen und zu bearbeiten sind.
DIE LINKE hat dieses Wissen nicht exklusiv. Was sie aber hat, ist ein Erfahrungs- und Kompetenzvorsprung im Umgang mit sozialen und regionalen Ungleichheiten. Wir haben in den zurückliegenden Jahren - besonders ausgeprägt in Ostdeutschland - in verschiedenen gesellschaftlichen und parlamentarischen Konstellationen an vielen Einstiegsprojekten in die sozial-ökologische und demokratische Modernisierung der Gesellschaft mitgewirkt.
Für DIE LINKE liegt dem sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft eine andere Perspektive von Regional- und Strukturentwicklung zugrunde: die regionale Sichtweise. Die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an den Entscheidungen, wie wir Energie erzeugen, wie wir Handel betreiben, wie wir produzieren wollen und in wessen Besitz sich Netze, Produktionsanlagen oder auch die Stadtwerke befinden, schafft die notwendige Akzeptanz, auch auf lokaler Ebene, für die Frage, wie wir eigentlich leben wollen, als LINKE zu beantworten: DIE LINKE steht für eine dezentrale, eine in den Regionen verankerte Energiewende, die sozial und demokratisch ausgestaltet ist.
Die regional gestaltete Energiewende als alternativer Pfad zur Dominanz der großen Stromkonzerne hat mittlerweile einen "point of no return" erreicht. Energiegenossenschaften werden gebildet, es entstehen Bioenergiedörfer und Städte und Kommunen erwerben die Konzessionen für die Energienetze zurück. Durch den fortgesetzten Ausbau ist die kommunale Wertschöpfung aus erneuerbaren Energien erheblich angewachsen. Die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an diesen Projekten ist starke Motivation, Wertschöpfung zu einem Entwicklungsimpuls für Region und Heimat zu machen.
DIE LINKE als sozialistisch-ökologische Partei ist Partner und Motor dieses gesellschaftlichen Wandels - in Ost und West."
Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping