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Frage von Silvia N. H. •

Frage an Katja Kipping von Silvia N. H. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Kipping,

mit Spannung verfolge ich die Diskussion rund um ALG2 und habe dazu eine Frage:

Zum 1.1.2011 wurde die Einzahlung in die Rentenkassen für ALG2 Empfänger eingestellt und es ärgert mich, dass in der derzeitigen Diskussion darauf anscheinend nicht eingegangen wird.

Die ALG2 Empfänger, für die heute nicht in die Rentenkassen eingezahlt wird, sind morgen zwangsläufig abhängig von der Grundsicherung.

Es sollte sich langsam auch unter den Politikerinnen und Politikern herum gesprochen haben, dass es genug ALG2 Empfänger gibt, die dem Arbeitsmarkt dauerhaft nicht zur Verfügung stehen werden (bspw. aus gesundheitlichen Gründen), aber nicht in die Grundsicherung "abrutschen" wollen, wohlwissend, dass sie dort nicht mehr raus kommen.

Selbst "Eigeninitiative" im Sinne von Riester-Rente wird nicht (mehr) durch die Übernahme der ensprechenden Beiträge honoriert.

Wieder einmal wird auf Kosten DER Menschen gespart, die sich mit ALG2 unwohl fühlen, aber (warum auch immer) nicht aus der Arbeitslosigkeit raus kommen.

Die Menschen, die kein Problem mit damit haben, ALG2 zu empfangen, wird auch egal sein, ob sie irgendwann mal Rente oder Grundsicherung bekommen.

Mit freundlichen Grüßen

Silvia N. Halusiak

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DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Halusiak,

besten Dank für Ihre Nachricht zum Themenbereich "Gute Rente". Meine Fraktion hat dazu u.a. einen Antrag in den Bundestag eingebracht (Sie finden den Antrag im Anhang), der die Bundesregierung auffordert, gesetzliche Initiativen vorzubereiten und vorzulegen, die folgende Maßnahmen zur Verringerung der Risiken von Altersarmut beinhalten:
1. Die Träger der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) übernehmen für Zeiten des Arbeitslosengeld-II-Bezugs Beiträge nach der Hälfte des Durchschnittsentgelts. Für Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld II entstünde dadurch ein Rentenanspruch von 0,5 Entgeltpunkten.
2. Die Rente nach Mindestentgeltpunkten gemäß § 262 SGB VI wird entfristet.
3. Ein die Existenz sichernder flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn wird eingeführt, der in dieser Legislaturperiode auf 10 Euro je Stunde steigt.

In der Begründung können Sie lesen: Würden für Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld II Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe der Hälfte des Durchschnittsentgelts geleistet, entspräche dies einem Beitrag von 250 Euro im Monat und einem späteren Rentenanspruch von 13,60 Euro im Westen und 12,10 Euro im Osten (nach aktuellen Rentenwerten). Der Rentenanspruch würde damit um das 6,5-Fache höher ausfallen als nach der jetzigen Regelung. Damit würde ein Beitrag zur Verhinderung von Altersarmut von Langzeiterwerbslosen geleistet. Würde eine solche Regelung isoliert eingeführt, könnte es gegenüber Arbeitslosengeld- und Niedriglohnbeziehenden zu Gerechtigkeitsproblemen kommen. Versicherte mit einem geringen Arbeitslosengeld, die aber oberhalb der Hilfebedürftigkeitsschwelle des SGB II bleiben, wären aufgrund der Einkommensabhängigkeit ihrer Rentenbeiträge unter Umständen schlechter gestellt als Arbeitslosengeld-II-Beziehende. Gleiches gälte für Beschäftigte mit sehr geringen Erwerbseinkommen.
Dieses Problem könnte jedoch mit einer Entfristung der für Beitragszeiten bis 1992 geltenden Rente nach Mindesteinkommen (§ 262 SGB VI) weitgehend behoben werden. Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs ab 1997 würden dann ebenso wie geringe Entgelte um die Hälfte auf maximal 75 Prozent des Durchschnittsentgelts hochgewertet, wenn 35 Jahre rentenrechtliche Zeiten vorhanden sind. Ein die Existenz sichernder gesetzlicher Mindestlohn würde außerdem verhindern, dass Versicherte auch mit der Rente nach Mindesteinkommen die im Arbeitslosengeld II gewährten 0,5 Entgeltpunkte nicht erreichen. Das Problem, dass für erwerbstätige Hilfebedürftige nach dem SGB II von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung abgeführt werden, wenn diese nur im Bereich der Kosten für Unterkunft aufstocken müssen, ließe sich damit ebenfalls beheben. Denn sie würden qua gesetzlichem Mindestlohn und Rente nach Mindesteinkommen bessere Rentenanwartschaften erwerben und in den meisten Fällen vollständig aus dem Grundsicherungsanspruch „herauswachsen“.

Für Langzeiterwerbslose, die allein aufgrund des Einkommens oder Vermögens der Partnerinnen oder Partner keinen eigenen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben, wird eine Verbesserung ihrer rentenrechtlichen Absicherung dadurch erreicht werden, dass sie einen eigenständigen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II erhalten. Die Mindestsicherung muss sich am Individualprinzip orientieren, d.h. jeder bedürftige Mensch hat einen eigenen Anspruch unter Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) (vgl. hierzu die entsprechenden Forderungen in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE.: „Weg mit Hartz IV – Für gute Arbeit und eine sanktionsfreie, bedarfsdeckende Mindestsicherung“, Bundestagsdrucksache 17/659).

Leider folgt die Mehrheit der Abgeordneten nicht unseren Vorschlägen.

Allerdings werden wir weiter streiten, denn auch in unserem Wahlprogramm können Sie in der Passage "Gute Rente" nachlesen:

Anhaltende Massenerwerbslosigkeit, die Ausweitung prekärer Arbeit und sinkende Löhne führen bei immer mehr Erwerbstätigen zu wachsenden Lücken in ihrer Erwerbsbiografie und damit zu fehlenden Beitragszeiten in der Rentenversicherung. Hinzu kommen niedrigere Beiträge aufgrund niedrigerer Löhne~ Die sogenannten Rentenreformen, erst von Union und FDP, dann von SPD und Grünen, senkten zudem das Niveau der gesetzlichen Rente erheblich~ Die Versicherten sollen diese Kürzungen ohne Beiträge der Unternehmen durch mehr private Vorsorge (»Riestern«) ausgleichen. Doch wer erwerbslos ist oder wenig verdient, hat nicht einmal dazu eine wirkliche Chance. Die von der SPD/CDU beschlossene Rente erst ab 67 Jahre ist nicht nur eine Rentenkürzung um zwei Jahre, sondern sie wird für die meisten eine weitere Rentenkürzung nach sich ziehen, da nur Wenige bis zu diesem Renteneintritt arbeiten können und dann Abschläge auf ihre Rente hin- nehmen müssen. So potenziert sich das Risiko von Altersarmut~ Die Rentenreformen der vergangenen Jahre haben zu einer Teilprivatisierung der Alterssicherung geführt, die vor allem Versicherungskonzernen und Unternehmen nützt. Für die Versicherten steigen die finanziellen Belastungen und Risiken. Im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung sind die privat angelegten Gelder zur Alterssicherung auch vor einer Finanzkrise nicht gesichert. Das Ziel der Lebensstandardsicherung für die Rentner-innen und Rentner wurde ausdrücklich aufgegeben. DIE LINKE fordert einen grundlegenden Kurswechsel in der Rentenpolitik - das öffentliche Solidarsystem der gesetzlichen Rente stärken: den Lebensstandard im Alter sichern und langjährigen Beitragszahlerinnen und -zahlern eine Rente deutlich oberhalb des Grundsicherungsniveaus bieten; sämtliche Kürzungsfaktoren aus der Rentenformel streichen, damit die Rente wieder der Lohnentwicklung folgt; die gesetzliche Rentenversicherung zu einer solidarischen Erwerbstätigenversicherung umbauen: Selbstständige, Beamtinnen und Beamte, Politikerinnen und Politiker einbeziehen; die Beitragsbemessungsgrenze aufheben, die damit verbundene Rentenerhöhung abflachen und den Spielraum für eine solidarische Umverteilung vergrößern; auf dieser Basis die staatliche Unterstützung der privaten Vorsorge einstellen, die erworbenen Ansprüche und die staatlichen Fördermittel überführen; den Solidarausgleich in der gesetzlichen Rente stärken: Zeiten von Erwerbslosigkeit, Kinderbetreuung – auch vor 1992 – Pflege und niedrigen Löhnen aufwerten, um Altersarmut zu verhindern; eine eigenständige Alterssicherung für Frauen unterstützen; das Renteneintrittsalter senken: die Rente erst ab 67 wieder abschaffen und flexible Ausstiegsmöglichkeiten ohne Abschläge vor dem 65. Lebensjahr schaffen; die Förderung der Alters-Teilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit fortsetzen und einen erleichterten und abschlagsfreien Zugang zu Erwerbsminderungsrenten eröffnen; Berufsunfähigkeitsrente wieder einführen; Armut im Alter verhindern: kein Mensch darf im Rentenalter weniger als 800 Euro im Monat zum Leben haben; die Rentenungerechtigkeit zwischen Ost und West beseitigen."

Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping