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Frage von Bernd W. •

Frage an Katja Kipping von Bernd W. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Kipping,

wie waere es wenn man nicht mehr ALG2 Empfaenger (wie mich) sanktioniert indem man ihnen Geld wegnimmt.

Sondern die ARGE zusaetzlich die Praxisgebuehren uebernimmt. - Wenn der ALG2 Empfaenger innerhalb des Sanktionszeitraums (der auch ein Quartal ist) zum Arzt geht die ARGE den Sanktionsbetrag als Praxisgebuehr ueberweist und sie wie ein Darlehen vom ALG2 Empfaenger wiederholt.

Davon wuerde das Gesundheitssystem profitieren und der ALG2 Empfaenger ist fexibler statt Aermer wenn er Sanktioniert wird. Gut essen kann genauso wichtig sein wie ein Arzt besuch.

Ich weiss das das auf anhieb ein merkwuerdiger Vorschlag zu sein scheint und man sich das evtl. mehrmals durch den Kopf gehen lassen muss bis man es so sieht wie ich. Eventuell auch etwas modifizieren.

Jedenfalls waere es eine Moeglichkeit wie auch Leute die keine Lust haben Zeitarbeit zu verfolgen und dadurch eine Mitschuld an der Kuerzung von Tarifloehnen um 1/3 tragen wuerden nicht am Monatsende hungern muessen (bei 30% Sanktion die Regel) und trotzdem durch die erhoehte Praxisgebuehr (wenn ein Arztbesuch notwendig ist) der Solidargemeinschaft etwas wiedergeben.

Mit freundlichen Gruessen,
Bernd Wegener

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Wegener,

vielen Dank für Ihren Vorschlag, der aus meiner Sicht in die richtige Richtung geht. Allerdings streite ich für eine deutlich weitergehende Lösung, nämlich die Abschaffung von Sanktionen (zumal ein Großteil davon zu Unrecht verhängt wird, was am Erfolg von Widersprüchen und Klagen zu erkennen ist). Unter anderem gehöre ich ja auch zu den Initiatorinnen und Erstunterzeichnerinnen für ein Sanktionsmoratorium - http://www.sanktionsmoratorium.de/.
Weiterhin haben meine Fraktion und ich dazu auch einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der die
komplette Streichung der Sanktionsparagrafen (§§ 31 - 32 Sozialgesetzbuch II) vorsieht.
Und zwar aus unter anderem aus den folgenden Gründen:

1. Sanktionen bedeuten eine verfassungswidrige Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums. Mit seinem Urteil vom 09.02.2010 begründet auch das Bundesverfassungsgericht den Anspruch auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums mit expliziter Bezugnahme auf die Menschenwürde. Zudem muss der Leistungsanspruch so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt. Nach der Rechtsprechung lässt sich daher festhalten, dass Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 GG auch Schutz vor materieller Not begründet. Für die Sanktionen fehlt es damit aber an einer Legitimierung durch das Grundgesetz.

2. Die Sanktionsregelungen stellen das Herzstück einer grundrechtswidrigen und sachlich kontraproduktiven Aktivierungsideologie dar. Mit dieser Ideologie werden soziale Missstände zu einem Ergebnis individuellen Fehlverhaltens und fehlender Motivation umgedeutet.
Massenerwerbslosigkeit erscheint hier nicht mehr als das strukturelle Ergebnis des kapitalistischen Wirtschaftssystems, sondern als Folge individuellen Verhaltens. Das Sanktionsregime verstärkt die Existenznot bei den Leistungsberechtigten. Es untergräbt ihre Würde, macht sie zu Objekten der staatlichen Bürokratien und macht diese gegenüber den Zumutungen ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse wehrlos. Die Politik fördert auf diese Weise menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und trägt erheblich zu einer Ausweitung des Niedriglohnsektors bei.

3. In der Sanktionspraxis geht es um die Bestrafung von Menschen, die anerkannt leistungsberechtigt sind und denen die zuständige Behörde ein Fehlverhalten – Verstoß gegen Meldeauflagen, Vorgaben der Eingliederungsvereinbarung oder Ablehnung einer zumutbarer Arbeit oder Maßnahme - vorwirft. Nur in wenigen Fällen ist die Ablehnung einer als zumutbar geltenden Arbeit der Grund der Sanktion (Bundestagsdrucksache 17/1837, S. 3). Über die Auswirkungen der Sanktionen auf die Lebenslagen und die Verhaltensweisen der betroffenen Personen gibt es nur wenige Informationen. Nach den verfügbaren Berichten haben Sanktionierte nur in einem geringen Umfang die Möglichkeit die Einbußen durch alternative Einkommensquellen zu überbrücken. Soziale Verelendung ist daher ist Folge.

Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping