Frage an Katja Kipping von Peter B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Kipping!
Zunächst: Danke, dass Sie sich für ein Grundeinkommen engagieren (aber auch für z.B. die Aufklärung in Sachen Gauck)!
Zum Thema [B]GE (Bedingungsloses Grundeinkommen, Anm.d.Red.):
Im Zusammenhang mit einem [B]GE wird immer wieder eine teilweise radikale Vereinfachung der Steuergesetzgebung angesprochen (bis hin zur Abschaffung aller personenbezogenen Steuern). Insbesondere die konsumsteuerfinanzierten Modelle um Prof. Werner führen diesen Aspekt (und meiner bescheidenen Meinung nach nicht ganz zu Unrecht) als eine der wesentlichen Verbesserungen an (Stichwort: Hartz IV als "offener Strafvollzug").
Wenn man die verschiedenen Aspekte zusammen betrachtet, entfaltet ein [B]GE seine Wirkung offensichtlich erst dann, wenn dies einerseits mit einer wirklich radikalen Vereinfachung der Steuergesetzgebung und -erhebung mit einer möglichst weit gehenden Bedingungslosigkeit vereint. Andererseits bleibt bei einem konsumsteuerfinanziertem [B]GE eben ein(e) Gerechtigkeitslücke/-Problem in Bezug auf einen solidarischen Beitrag Aller zum Steueraufkommen.
In diesem Kontext meine Frage an Sie: In der Partei DIE LINKEN gibt es ja leider auch Stimmen die sich gegen ein GE insbesondere aber auch gegen ein BGE aussprechen. Was aber wäre, wenn ein BGE durch einen im wesentlichen solidarischen Steuerbeitrag (z.B. lineare Progression, also ohne den sog. "Mittelstandsbauch") aller Einkommensarten finanziert werden würde, der bis zur Erreichung eines (politisch definierten) Schwellenbeitrags negativ ausfällt? Hoffentlich einfacher formuliert: Wie sehen Sie die Chancen mehr Unterstützer für ein [B]Ge innerhalb der LINKEN zu bekommen, wenn dessen Finanzierung ausdrücklich solidarisch aber eben auch mit radikal vereinfachter Steuer-Gesetzgebung und -Erhebung einher ginge? Lassen sich bislang nicht überzeugte Partei-/Fraktionsmitglieder der LINKEN durch eine solidarische, vereinfachte Steuergesetzgebung vom [B]GE überzeugen?
(Endlich) sommerliche Grüße und nochmals Dank für Ihre BGE-Arbeit!
Sehr geehrter Herr Bounin,
ich bedanke mich für Ihre Fragen und das Interesse am bedingungslosen Grundeinkommen.
Ich möchte aber zuerst bekennen, dass ich keine Steuerexpertin bin. Ich bitte daher um Nachsicht, dass ich nur vage antworten kann.
Als erstes ist es für mich wichtig, dass Steuern da erhoben werden und dahin umverteilt werden, wo es sinnvoll erscheint. Die Abschaffung aller Steuern zugunsten einer Mehrwertsteuer, die dann nicht nur das BGE sondern den ganzen Staatshaushalt finanzieren soll, bevorteilt höhere Einkommensschichten und macht einen großen Bogen um die Geldvermögen, die in ihrer Ansammlung ein Machtpotential ungeahnten Ausmaßes haben und außerdem Finanzkrisen geradezu heraufbeschwören. Außerdem ist die Gefahr der Umgehung der Steuer durch Schwarzhandel bei 50 Prozent Mehrwertsteueranteil des Preises unglaublich groß. Darüber hinaus: Um alle öffentlichen Aufgaben zu finanzieren soll und muss kräftig gehandelt und konsumiert werden - eine äußerst problematische Vorstellung. Die alleinige Besteuerung der Einkommen für eine für das BGE notwendige Umverteilung scheint mir vor dem Hintergrund tendenziell sinkender Erwerbseinkommen (wegen fortschreitender Automatisierung) ebenfalls problematisch. Denken Sie an das Paradies-Paradoxon des russisch-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers und Nobelpreisträgers Wassily Leontief - wenn alles durch Automaten hergestellt würde, gäbe es zwar ausreichend Güter, aber keine/r könnte sie kaufen. Übrigens war das ein Anlass für GrundeinkommensbefürworterInnen, das Konsumgeld vorzuschlagen, eine Art bedingungsloser Anteilsschein am gesellschaftlichen Reichtum. Auch eine starke Besteuerung des Verbrauchs von Naturressourcen kommt auf Dauer nicht zur Finanzierung des BGE in Frage - weil das, was besteuert wird, ja verschwinden soll und hoffentlich bei starker Besteuerung auch wird. Wir sehen, bevor wir über Vereinfachungen reden, müssen wir über Steuereffekte und Voraussetzungen der Steuern sprechen. Einfache Steuern können hochproblematisch werden, wenn sie falsche Effekte erzielen oder auf problematischen Voraussetzungen basieren. Prinzipiell richtig finde ich es über Steuervereinfachungen nachzudenken - auch im Zuge der Überlegungen in Richtung BGE. So schlägt ja zum Beispiel die Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen eine Reduktion aller Steuerklassen auf eine vor. Oder beim Konzept der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE
werden nach dem einheitlichen Grundsteuerfreibetrag alle einkommenssteuerlichen Freibeträge und Absetzungsmöglichkeiten inklusive Ehegattensplitting und Kinderfreibeträgen gestrichen. Sie sehen - radikale Vereinfachungen. Weitere Ausführungen dazu finden Sie übrigens im Buch "Grundeinkommen. Geschichte - Modelle - Debatten" von Ronald Blaschke u.a. http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Publ-Texte/Texte_67.pdf . Zum Schluss zur Frage, ob steuerliche Vereinfachungen zu einer höheren Akzeptanz des BGE führen könnten: Eigentlich nicht, denn die Ablehnungsgründe für das BGE sind nicht steuerrechtlicher Art. Und außerdem: Steuervereinfachungen sind auch ohne ein BGE-Konzept möglich.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping