Frage an Katja Kipping von Hartmut A. bezüglich Soziale Sicherung
Guten Tag Frau Kipping,
ich habe eine Frage zur Kranken- und Pflegeversicherung:
Die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und eine betriebliche Sozialeinrichtung des Bundeseisenbahnvermögens (BEV). Sie gewährt ihren Mitgliedern Leistungen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen sowie bei Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten. Die KVB betreut zur Zeit 226.000 Mitglieder. Zusammen mit den mitversicherten Angehörigen haben annähernd 374.000 Versicherte Anspruch auf Leistungen der KVB.
Ich komme bin als ehemaliger Bundesbeamter (nicht Bundesbahn) seit 1965 freiwillig in der GKV versichert und bin Beihilfe berechtigt. Bei Wahl der Kostenerstattung leiste ich nicht unerhebliche Zuzahlungen, ähnlich wie die Bundesbahner bei der KVB. Der KVB-Leistungskatalog ist eher umfangreicher. Der vergleichbare Beitrag liegt bei ca. 200 € monatlich bei der KVB gegenüber ca. 500 € bei meiner GKV.
Wie ist der erhebliche Beitragsunterschied zu erklären? Ist es möglich, mich in der KVB versichern zu lassen? Und falls nein, besteht die Aussicht, dass sich die KVB künftig teilweise öffnet?
Vielen Dank im Voraus und freundliche Grüße!
Sehr geehrter Herr Ahlborn,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gern versuchen möchte, zu beantworten (Ihre Anfrage ist sehr speziell und Gesundheitspolitik ist nicht mein Arbeitsschwerpunkt). Zudem möchte ich anmerken, dass Ihre Zuschrift bei mir auch etliche Fragen aufwirft (Warum waren Sie - beamten-untypischerweise- seit 1965 in der GKV und nicht privatversichert - eventuell weil eine nicht-verdienende Ehefrau plus Kinder über die Familienversicherung mitgetragen wurden? Was hätten Sie zu dieser Zeit ggf. für alle zusammen in der KVB zahlen müssen? Welche finanziellen Vorteile -oder andere Motivation- hatten Sie - trotz Beamtenstatus - von einer freiwillig gesetzlichen Versicherung?)
Da ich all diese Antworten nicht kenne kann ich Ihnen nur sagen, dass bei der Wahl der Krankenversicherung in jedem Einzelfall unter Hinzuziehung von Daten zu Einkommen, Familienstand, Vorerkrankungen etc. exakt geprüft werden sollte, was das beste Angebot ist - nicht nur welche Art der Krankenversicherung im Einzelfall finanziell günstiger ist, sondern auch, welche Personengruppen bei dieser Versicherung aufgenommen bzw. nicht aufgenommen werden oder ob es Leistungsausschlüsse gibt, wie der Service und die Erreichbarkeit ausgestaltet sind, welche individuelle Inanspruchnahme des Services bestehen würde und vieles mehr...Und weil Sie direkt nach der KVB fragen - soweit ich informiert bin, ist sie seit der Bahnreform geschlossen, über die Aufnahme neuer Mitglieder ist mir nichts bekannt.
Sie können sich zu all diesen Fragen der Krankenversicherung übrigens auch fachlichen Rat holen, z.B.
- bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschlands (mit einem bundesweiten und kostenfreien Beratungstelefon unter der Rufnummer 0800 0 11 77 22)
- oder bei einigen Verbraucherzentralen.
Noch einige persönliche Anmerkungen von mir zum Thema KV:
Das System des Krankenversicherungsschutzes ist in Deutschland derzeit unsinnigerweise zerklüftet in viele Teilbereiche (mit Gesetzlicher und privater Krankenversicherung und Beihilfe) und je nach Status (privat versichert, gesetzlich pflicht-, freiwillig oder familienversichert, mit oder ohne Wahltarife) hat jeder eine andere Art, wie der Beitrag berechnet wird und wie der Leistungsumfang ausgestaltet ist. Für manche Menschen stellt der Beitrag zur Krankenversicherung eine finanzielle Überforderung dar, andere hingegen können sich der Solidarität entziehen und einen Versicherungsschutz wählen, dessen Beitragshöhe weit unterhalb der finaziellen Leistungsfähigkeit liegt. Diesen unsozialen sowie ungerechten Zustand möchte DIE LINKE beenden.
DIE LINKE setzt sich für eine echte solidarische Finanzierung ein. So lässt sich das derzeitige Leistungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung nicht nur halten, sondern sogar weiter ausbauen. Alle Versicherten können dann an Innovation und Fortschritt teilhaben. Eine solch umfassende Gesundheitsversorgung kann mit der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, wie DIE LINKE sie favorisiert, solide und nachhaltig finanziert werden. DIE LINKE will eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung einführen, in der alle Menschen, die in Deutschland leben, auch z.B. Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter oder Bundestagsabgeordnete, versichert werden . Alle erhalten einen eigenständigen Versicherungsanspruch. Der Versicherungsbeitrag soll auf alle Einkommensarten wie Kapital-, Miet- oder Pachterträge erhoben werden. Somit tragen alle in gerechter Weise nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zur kollektiven Absicherung gegen Erkrankungsrisiken bei. Reiche zahlen künftig den gleichen prozentualen Beitragssatz: Die Beitragsbemessungsgrenze wird aufgehoben. Zuzahlungen oder Praxisgebühr werden abgeschafft, frühere Leistungsausgrenzungen bspw. bei Zahnersatz oder Brillen rückgängig gemacht. Die Arbeitgeber tragen wieder die Hälfte der Krankenversicherungsbeiträge auf Löhne und Gehälter ihrer Beschäftigten (und analog zahlt der Staat die Hälfte der Beiträge für die Beamten). Die private Krankenversicherung wird auf die Rolle von Zusatzversicherungen begrenzt. Im Gegensatz zu den Bürgerversicherungsmodellen von SPD und GRÜNEN will DIE LINKE die private Krankenversicherung als Vollversicherung abschaffen und die Beitragsbemessungsgrenze ganz aufheben. Nur so können auch Besserverdienende voll in die Solidarität einbezogen werden.
Und gestatten Sie mir noch eine letzte Bemerkung: Sie sprechen auch das Prinzip der Kostenerstattung an. Dieses benachteiligt vor allem diejenigen, denen das Geld fehlt, finanziell in Vorleistung zu treten, erst recht wenn nicht sichergestellt ist, dass die für die Behandlung vorgestreckte Summe auch in voller Höhe nachträglich erstattet wird. Doch genau diese Menschen haben den größten Bedarf an gesundheitlicher Versorgung. Darum ist mit der LINKEN eine Umstellung auf Kostenerstattung nicht zu machen. "Teilkasko-Tarife“ für Junge und Gesunde, teure „Vollkasko-Tarife“ für Kranke und Ältere; durch diese unsolidarischen Wahl- und Sondertarife (Kostenerstattung, Selbstbehalt und Beitragsrückerstattung) fehlt den Kassen Geld für Behandlungskosten, dass allein von den Kranken aufgebracht werden muss.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping