Frage an Katja Kipping von Erhard L. bezüglich Recht
Es fällt auf, dass in Dresden die Plakate der NPD vermutlich von Linksextremisten, zu denen ich mit Verlaub auch die PDS zähle, systematisch zerstört oder gestohlen werden.
Veruteilen Sie dieses Vorgehen oder gilt die von Ihnen so oft propagierte Toleranz nur gegenüber den Parteien, die Sie als "antifaschistisch" einstufen?
Sehr geehrter Herr Linthaler,
worauf gründet sich Ihre Behauptung, die Plakate der NPD würden von Linksextremisten zerstört und wieso zählen Sie, die PDS, die wie Sie sicherlich wissen jetzt Linkspartei.PDS heißt, zu den Linksextremisten?
Um Ihnen einen umfassenderen Einblick in meine Einstellung zum Umgang mit Neo-Nazis zu geben, lege ich Ihnen einen Artikel von mir zu dem Thema bei. Diesen verfasste ich im Februar 2005, aber er hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt.
Mit besten Grüßen
Katja Kipping
Anhang
Handschlag, Patriotismus oder Verbot - Wie entziehen wir dem Faschismus den Boden?
von Katja Kipping
Der sächsischen Innenminister Thomes de Maizière resümierte neulich in einem Interview in der Dresdner Morgenpost darüber, dass man den NPD-Abgeordneten sehr wohl die Hand geben könne. Immerhin seien diese ja keine Schmuddelkinder und immer so ordentlich angezogen. Hier sind wir gefragt immer wieder deutlich zu sagen: Keinen Fußbreit und keinen Handschlag den Nazis! Denn kein noch so gut geschnittener Anzug darf darüber hinwegtäuschen, dass NPD-Mitglieder Nazis sind und eine menschenverachtende Ideologie vertreten. Doch wie begegnet man den Nazis am wirkungsvollsten? Darüber ist spätestens seit den Landtagswahlen in Sachsen 2004 in der Öffentlichkeit ein Streit entbrannt. Die einen, wie zum Beispiel der Politprofessor Patzelt, meinen, die demokratischen Parteien sollten nun den Patriotismus stärker besetzen, um den Nazis, die Wähler streitig zu machen. Dabei wird u.a. auf Edmund Stoiber und seine CSU in Bayern verwiesen, der immer wieder Sätze wie "Man muss doch auch mal an das deutsche Volk denken." von sich gibt und damit angeblich erreicht hat, dass es in Bayern rechts von der CSU keine Partei gibt. Mal ganz abgesehen davon, dass rassistische Aussagen Rassismus bleibt, ganz gleich, ob sie nun ein Politiker mit demokratischem Label oder ein offensichtlicher Nazi verbreitet, stellt sich hier doch die Frage, ob das tatsächlich gegen einen Stimmenzuwachs der Nazis hilft. Und wenn ja, sollen jetzt womöglich die Linken auch noch versuchen, den Patriotismus von links zu besetzen? Ich meine Nein. Mit einem vorauseilenden Alltagsrassismus und durch das Bedienen von rechten Ressentiments im Stile eines Herrn Stoibers gräbt man den Nazis das Wasser nicht ab. Ganz im Gegenteil - man verstärkt den Nährboden für Faschismus.
Schließlich haben all die rhetorischen Ausflüge in die Sphären des Rassismus oder der Volkstümelei von CDUlern in den letzten Jahren (erinnert sei hier exemplarisch an Aussagen im Stile eines Herrn Nietzsche: Eher faule einem Moslem die Hand ab, als das er bei der CDU ein Kreuz mache.) mitnichten verhindert, dass jetzt im Sächsischen Landtag 12 Nazis sitzen. Ganz zu schweigen von den weiteren Nazis, die man nicht erkennt, die aber immer wieder der NDP Schützenhilfe geben.
Als die NPD ihre Fraktionsrechte nutzen wollte, um am 13. Februar rechte Kameradschaften einzuladen, beschloss der Ältestenrat des Landtages, allen Fraktionen die Benutzung des Landtagssaales außerhalb der Sitzungen zukünftig zu verbieten. Das Ziel, den Nazis das Podium zu nehmen, ist ja löblich. Aber das Mittel verfehlt. Wo machen wir Schluss, wenn wir uns auf diese Logik einlassen? Immerhin nutzen die Nazis zum Beispiel auch die Fragestunde sehr rege. Soll die nun auch abgeschafft werden? Ganz zu schweigen von den Landtagssitzungen: Soll deswegen jetzt der Landtag nur noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit oder vielleicht nur noch einmal im Jahr tagen? Die Feinde der Demokratie bekämpfen wir nicht, indem wir die Demokratie einschränken. Damit spielt man den Nazis nur in die Hände und nimmt womöglich denen, deren Ziel in der Beseitigung der Demokratie besteht, die Arbeit ab. Denen, die mit "eisernen Besen im Parlament auskehren" wolle, begegnen wir nicht mit der Zurückdrängung von Politik.
Angestoßen durch Prof. Peter Porsch diskutiert die breite Öffentlichkeit gegenwärtig darüber, ob ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD sinnvoll ist. Eine solche Debatte hat auf jeden Fall ihre guten Seiten. Bedroht sie doch die NDP und verdeutlicht sie, dass wir nicht gewillt sind, uns mit den faschistischen Aussagen der NPD abzufinden. Und doch birgt der Ruf nach einem Verbot auch Gefahren für die Demokratie. Es ist nicht auszuschließen, dass der Ruf nach einem Verbot unterschwellig den Wunsch nach einer starken Hand, die das Naziproblem doch schnell lösen solle, hervorruft und damit unterschwellig - ohne dass das so intentiert war - die Affinität zu Autoritäten nur verstärkt wird. Solche Denkmuster kommen am Ende rechten Strukturen zu gute. Wer garantiert uns außerdem, dass man nicht gegen linke Parteien dieselben Mittel anwende, wenn die Hemmschwelle gegenüber dem Parteienverbot einmal gesunken ist? Schließlich werden CDU-Politiker und Vertreter der Wirtschaft nicht müde, die PDS mit den Faschisten in einem Topf - den Topf der Extremisten - zu werfen. Und dabei ist es ihnen offensichtlich egal, dass sie damit die Singularität von Faschismus in Frage stellen und die Nazis verharmlosen.
Es gibt kein Patentrezept dafür, wie wir Faschismus und Rassismus in den Köpfen, in den Parlamenten und Jugendclubs sowie auf der Straße wirksam und nachhaltig entgegen treten. Insofern müssen wir alle auch selbstkritisch darüber nachdenken, was wir bisher zuwenig unternommen haben, um dem Faschismus den Boden zu entziehen. Wirksamer Antifaschismus braucht neue Formen des antifaschistischen Gedenkens - Formen, die auch junge Menschen ansprechen. Demokratie darf kein abstrakter Begriff, den man im Gesellschaftskunde-Unterricht auswendig lernt, bleiben, sondern muss Praxis werden, muss mit Leben ausgefüllt werden. Dazu braucht es aber mehr als die real praktizierte Demokratie. Dazu braucht es ein Mehr an direkter Demokratie sowie gut geförderte Jugendzentren und Schulen, in denen gerade junge Menschen zum politischen Engagement angeregt und nicht ausgebremst werden.