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Katja Keul
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Frage von Tobias W. •

Frage an Katja Keul von Tobias W. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Keul,

Ich beobachte an den Tankstellen die steigenden Benzinpreise. Die Politik hat vor kurzem eine neue Aufsichtsbehörde der Mineralölkonzerne geschaffen. Dennoch steigen die Preise für Benzin und Diesel ständig, obwohl der Preis an den Handelsbörsen noch gut unter dem Allzeithoch stehen.
Die Politik verlangt eine hohe Flexibiltät am Arbeitsmarkt - hierdurch werden auch die Arbeitswege immer länger.
Wie stellen sich die Grünen dies auf längere Sicht vor? Halten Sie weiterhin an der Ökozulage fest? Setzen Sie sich für eine höhere Pendlerpauschale ein? Wie möchten Sie dien Öffentlichen Nahverkehr weiter ausbauen? Wie stehen Sie zu den Privatisierungen im Öffentlichen Nahverkehr - z.B. Metronom?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Weber,

vielen Dank für Ihre Anfragen. In der Tat kann man "alle Jahre wieder" feststellen, dass pünktlich zur Urlaubszeit die Sprit-Preise an Tankstellen Rekordniveau erreichen. Ein von der grünen Bundestagsfraktion beim Hamburger Energieexperten Steffen Bukold in Auftrag gegebenes Kurzgutachten belegt, dass die Ölkonzerne allein zwischen November 2011 und März 2012 bei Super-Benzin 40% mehr aufgeschlagen haben, als es die Verteuerung an den Rohölmärkten gerechtfertigt hätte. 5 Cent pro Liter oder 100 Mio. Euro konnten die Ölkonzerne als zusätzlichen Gewinn einstreichen. Mehr dazu: http://www.gruene-bundestag.de/cms/verkehr/dok/406/406526.oelmultis_streichen_100_millionen_euro_e.html .

Die derzeit hohen Kraftstoffpreise haben mehrere Ursachen. Der Rohölpreis ist so hoch wie lange nicht mehr. Einerseits treibt der zurzeit ungünstige Wechselkurs des Euro zum Dollar den Preis nach oben. Andererseits ist das Umsatzsteueraufkommen (Mehrwertsteuer) mit den gestiegenen Ölpreisen ebenfalls gestiegen und verstärkt den Preiserhöhungseffekt. Die von Ihnen beobachteten ungerechtfertigte Preisaufschläge der Ölkonzerne kommen dann noch hinzu. Leider muss auch festgestellt werden, dass mit einem Allzeithoch der Spritpreise ein Allzeithoch der PS-Zahlen (Durchschnitt 138 PS) der in Deutschland verkauften Autos in der ersten Jahreshälfte 2012 einhergeht. Geländewagen und SUVs erfreuen sich großer Beliebtheit. Auch wenn die Autoindustrie gern gegenteilige Beispiele bemüht: Der Zusammenhang zwischen höherer Motorleistung und höherem Spritverbrauch lässt sich nicht wegdiskutieren. Trotz erfreulicherweise insgesamt sinkendem Kraftstoffverbrauch werden die bestehenden Möglichkeiten zur Einsparung von Kraftstoffen weder vollständig genutzt noch hinreichend ausgeweitet. Die Mineralölindustrie wertet dies offensichtlich als ein deutliches Zeichen, dass im Preis von Benzin und Diesel "Luft nach oben ist". Die schwarz-gelbe Bundesregierung tut ein Übriges: So lehnt sie die KFZ-Steuer nach CO2-Ausstoß ab und besonders die Reform der Besteuerung von Dienstwagen, die einen Marktanteil bei den Neuwagen von über 60% ausmachen. Greenpeace und das Forum Ökologische Steuerreform kritisieren zu Recht die milliardenschwere Subventionierung von Spritfressern und CO2-Schleudern durch den Steuerzahler.

Sie schreiben, dass "die Politik" eine "neue Aufsichtsbehörde der Mineralölkonzerne" geschaffen habe. Dies ist nicht der Fall. Die Bundesregierung muss hier erst noch tätig werden und wir erwarten dabei aus langjähriger Erfahrung als Ergebnis eine Regelung, die sich ausschließlich in Fensterreden der Regierungsparteien niederschlägt, aber weder der Mineralölindustrie, noch den Energiekonzernen und auch nicht den Autoherstellern weh tun wird.

Wir Grüne fordern seit langem eine Markttransparenz-Stelle beim Bundeskartellamt, die Wirtschaftsminister Rösler nun angesichts miserabler Umfragewerte und interner Querelen der FDP mit anderthalb Jahren Verzögerung als Mittel gegen die hohen Spritpreise entdeckt haben will. Lang und breit wurde in diesem Sommer auch zur Preisregulierung durch das so genannte österreichische oder australische Modell öffentlichkeitswirksam heiße Luft verbreitet. Nach dem österreichischen Modell zur Preisregulierung bei Kraftstoffen, dürfen die Tankstellenbetreiber die Spritpreise nur einmal am Tag erhöhen und beliebig oft senken. Beim australischen Modell muss der Preis am Vortag bekannt gegeben werden und darf dann nicht mehr verändert werden. Beide Modelle haben nicht den Effekt, den sie erreichen wollten. Kritiker gehen davon aus, dass eher gegenteilige Effekte befördert wurden.

Aber auch eine Markttransparenz-Stelle, wie wir Grüne sie seit langem fordern, wird letztendlich die Benzinpreise nur um ein paar Cent beeinflussen können. An der generellen Entwicklung, dass Öl und damit auch Benzin immer teuer werden, wird sich nichts ändern. Denn die steigenden Ölpreise zeigen, dass die Ölförderung bald mit der Nachfrage nicht mehr mithalten kann. ExpertInnen schätzen, dass bis 2015/2020 das Angebot die Nachfrage nach Öl nicht mehr befriedigen können. Die Preise werden so lange steigen bis sich ein neues Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage gebildet hat. Ob und wann dieser Gleichgewichtspreis bei 200, 300 oder 500 Dollar pro Fass Öl liegen wird, ist ungewiss. Fakt ist: Das Zeitalter des billigen Öls geht unwiderruflich zu Ende. Aber auch wegen des Klimaschutzes kann unsere Antwort nur lauten: "Weg vom Öl"!

Sie schreiben: "Die Politik verlangt eine hohe Flexibiltät am Arbeitsmarkt - hierdurch werden auch die Arbeitswege immer länger." Die Politik schafft allenfalls gesetzliche Rahmenbedingungen. Relevant für den Arbeitsweg sind hier Zumutbarkeitsregelungen bei der Arbeitsvermittlung. Gerade wir Grünen sehen es als eine Querschnittsaufgabe verschiedener Politikfelder an, günstige Rahmenbedingungen für die Vermeidung von Verkehr und kurze Wege zu schaffen. Strukturelle Änderungen in der Wirtschaft, die gerade in Schaumburg mit dem Abbau zahlreicher gewerblicher Arbeitsplätze verbunden waren, sind nicht durch gesetzgeberische Aktivitäten der Politik hervorgerufen. Allerdings muss gerade hier die im Grundgesetz festgeschriebene Verpflichtung von Eigentum und die Rechte der Arbeitnehmer und ihrer Vertretungen gesetzgeberisch gestärkt werden.

Anhebung der Pendlerpauschale

Eine Anhebung der Pendlerpauschale lehnen wir entschieden ab. Sie ist weder ökologisch, noch sozial verantwortbar und sie ist in hohem Maße ungerecht und unsozial. weil vor allem diejenigen davon profitieren, die überdurchschnittlich verdienen. Es ist daher naheliegend, dass die FDP eine Erhöhung der Pendlerpauschale fordert, aber grotesk, dass die Linke diese Subvention für Besserverdienende ebenfalls lauthals unterstützt. Von einer Erhöhung der Pendlerpauschale würden vor allem die Besserverdienenden profitieren. Geringverdiener profitieren wenig oder gehen leer aus.

Dazu ein Rechenbeispiel: Die Aufwendungen für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Entfernungspauschale, auch Pendlerpauschale genannt) sind so genannte Werbungskosten, die steuerlich geltend gemacht werden können. Neben der Pendlerpauschale gibt es auch noch weitere Werbungskosten, z.B. Kosten der doppelten Haushaltsführung, Bewerbungskosten oder Kosten für ein Arbeitszimmer. Jeder Einkommenssteuerpflichtige erhält eine Werbungskostenpauschale von 1000 Euro. Für einen Arbeitsweg von 20 km an 200 Tagen im Jahr können 1.200 Euro Aufwendungen für den Weg zwischen Wohnung und Arbeit (Pendlerpauschale) als Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden. Ein Manager, der den Spitzensteuersatz von 45% zahlt und die Werbungskostenpauschale von 1.000 Euro mit anderen Werbungskosten (z.B. Arbeitszimmer) geltend macht, spart 540 Euro Steuern. Ein Normalverdiener, z.B. ein Facharbeiter, mit einem Grenzsteuersatz von 25% erhält hingegen nur 300 Steuern zurück, und dass auch nur dann, wenn er andere Werbungskosten bis zur Höhe von 920 Euro geltend machen kann. Sind die Aufwendungen für den Weg zur Arbeit seine einzigen Werbungskosten, werden ihm von den 1.200 Euro Kosten nur 200 Euro vom zu versteuernden Einkommen abgezogen. Bei einem Grenzsteuersatz von 25% verbleibt eine Steuerersparnis von gerade noch 50 Euro - weniger als eine Tankfüllung. Wer als Geringverdiener gar keine Steuern zahlt, da er unterhalb des Steuerfreibetrags bleibt, profitiert überhaupt nicht von einer Pendlerpauschale. Wenn man das Rechenbeispiel mit 40 Cent wiederholt, wie es derzeit z.B. von der FDP gefordert wird - die Arbeitsweg bedingten Werbungskosten in unserem Beispiel dann 1.600 Euro betragen - , erhöht sich die Steuerersparnis für den Manager um 180 Euro auf 720 Euro. Der Facharbeiter hingegen spart mit 100 Euro nur knapp mehr als die Hälfte dessen, was der Manager spart. Geringverdiener gehen weiter leer aus.

Falsch ist auch, wenn die FDP behauptet, dass die Erhöhung der Pendlerpauschale haushaltsneutral passieren könne, weil der Staat bei gestiegenen Spritpreisen von höheren Mehrwertsteuereinnahmen profitiere. Richtig ist, dass mit steigenden Kraftstoffpreisen auch die Mehrwertsteuereinnahmen ansteigen. Es ist eine Milchmädchenrechnung, daraus zu schließen, dass dem Staatshaushalt große Mehreinnahmen zufließen. Denn jeder Euro kann grundsätzlich nur einmal ausgegeben werden. Wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher an der Tankstelle mehr bezahlen, müssen viele beim Kauf von anderen Dingen sparen. An anderer Stelle fällt für den Fiskus also weniger Mehrwertsteuer an. Zudem gehen 46% der Mehrwertsteuer an Länder und Gemeinden. Ob und in welcher Höhe ein Steuerplus für den Bund anfällt, ist daher unklar. Im Gegenteil würde eine Anhebung der Pendlerpauschale den Staat unmittelbar rund 1,5 Mrd. Euro kosten. Den überwiegenden Anteil davon, nämlich 57,5% müssten Länder und Gemeinden aufbringen. Speziell für die vielen Gemeinden, die schon heute überschuldet sind, würde sich die Situation damit noch verschärfen. Zudem wäre das Geld für eine Förderung umweltfreundlicher Alternativen zum Auto weitaus besser angelegt ist. Würde man 1,5 Mrd. Euro zusätzlich in den Ausbau der Schiene und des öffentlichen Verkehrs insgesamt investieren, könnte man auch im ländlichen Raum einem dichten und qualitativ hochwertigen öffentlichen Verkehr bereitstellen, der zum Umsteigen einlädt.

Senkung der Steuern auf Kraftstoffe

Hohe Kraftstoffpreise als Folge der Ökosteuer darzustellen ist schon deshalb verfehlt, weil ein Blick auf die Preise in vergleichbaren Ländern zeigt, dass die hiesigen Spritpreise wie auch die Besteuerung von Kraftstoffen keine singuläre Erscheinung sind. Die Steuern drastisch zu senken, ist Populismus ohne Wert. Wir Grüne finden eine Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe aus mehreren Gründen falsch: * Eine Steuersenkung bei Kraftstoffen würde von den Mineralölkonzernen dankend entgegen genommen - ganz nonchalant und nicht an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben. Statt die Preise aufgrund der niedrigeren Besteuerung dauerhaft zu senken, würden die Ölkonzerne versuchen, die eingesparte Steuer für die Ausweitung ihrer Gewinne zu nutzen. Diesen Effekt konnte man bei der Absenkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen bereits beobachten. Dem gegenüber stünden dann aber erhebliche Rückgänge bei den Steuereinnahmen, die neue Löcher in den Haushalt reißen würden. * Die Einnahmen aus der Energiesteuer auf Kraftstoffe sind ohnehin rückläufig und werden in den nächsten Jahren weiter sinken, weil zum Glück der Verbrauch insgesamt zurückgeht - wenn auch nicht so stark wie wir es wünschen und fordern.

Die grüne Antwort auf steigende Spritpreise

Mittel und langfristig wird der Preis für Benzin und Diesel nur eine Richtung kennen: die nach oben. Deshalb müssen wir "weg vom Öl". Die Bundesregierung und die Autoindustrie tun zu wenig, um spritsparende Fahrzeuge zu entwickeln. Wir haben in einer grünen Automobilstrategie (Green Car Concept) bereits zur IAA 2007 Vorschläge gemacht, wie man die Verbrauchswerte schneller senken kann (http://www.gruene-bundestag.de/cms/verkehr/dok/196/196131.green_car_concept.html ). Bis 2030 wird weltweit eine Verdopplung der Kraftfahrzeuge auf dann 2 Milliarden Fahrzeuge erwartet. China ist im 2010 erstmalig zum größten Automobilproduzenten der Welt aufgestiegen. Im Jahr 2011 wurden in China 18,7 Mio. Kraftfahrzeuge verkauft, in anderen Schwellenländern ist die Entwicklung ähnlich. Bis 2030 wird weltweit eine Verdopplung der Kraftfahrzeuge auf dann 2 Milliarden Fahrzeuge erwartet. Das zentrale Instrument sind ambitionierte CO2-Grenzwerte, die Spritspartechnik serienmäßig zum Durchbruch verhelfen. Die Zukunft muss Null-Emissions-Autos gehören. Das sind zum einen Elektrofahrzeuge, wie sie u.a. Mitsubishi, Renault, Nissan und Peugeot/Citroen schon auf den Markt gebracht haben, die mit Ökostrom betrieben werden. Es sind aber vor allem bereits kurzfristig auch so genannte Plug-In-Hybride oder Range Extender wie der Opel Ampera, die mit Steckdosenstrom geladen 20-50 Kilometer rein elektrisch fahren können und mit dem Verbrennungsmotor auf eine Reichweite von 500 Kilometer kommen. 90 Prozent der alltäglichen Fahrten können dann schon rein elektrisch zurückgelegt werden. Strenge CO2-Grenzwerte für Neufahrzeuge und steigende Ölpreise werden diese Entwicklung beschleunigen. Wir Grüne fordern, dass Autos mit einem CO2-Ausstoß von weniger als 60 Gramm pro Kilometer (2-Liter-Auto), wie es Plug-In-Hybride und Elektroautos mit Ökostrom erreichen, mit einem Kaufzuschuss von 5.000 Euro gefördert werden. Das würde einen großen Schub für die Markteinführung und Technologieentwicklung bedeuten. Die Höhe der Förderung entspricht dem, was in Frankreich und Großbritannien gezahlt wird. In Japan, China und den USA fällt die Förderung sogar noch deutlich höher aus. Außerdem wollen wir die Erforschung der nächsten Batteriegeneration mit einer höheren Leistung durch mehr Forschungsinvestitionen beschleunigen.

Darüber hinaus setzen wir uns seit jeher für den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs ein. Wenn man längere Zeit nicht mit Bus und Bahn unterwegs war, lohnt es sich durchaus, das mal auszuprobieren. Denn in vielen Bundesländern hat sich das Angebot verbessert. Wer keine Alternativen zur Fahrt mit dem Auto hat, kann Mitfahrgelegenheiten anbieten oder sich selbst mitnehmen lassen, um so Spritkosten zu teilen. Es gibt mittlerweile im Internet auch ein gutes Angebot für Pendler unter www.pendlernetz.de

Zu Ihrer Frage zum Metronom:

Sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr hat mehr Wettbewerb zu einer kosten-günstigeren und qualitativ besseren Bahn geführt. Auch im Nahverkehr macht sich der Wettbewerb positiv bemerkbar: Auf einigen Strecken hat sich die Zahl der Fahrgäste vervielfacht, auf vielen Strecken ist der Zuschussbedarf gesunken. Wir wollen einen Wettbewerb zu fairen Bedingungen, der an transparente Ausschreibungen mit hohen Umwelt- und Sozialstandards gebunden ist. Unter dem Titel "Wir bringen was ins rollen" hat meine Fraktion ihre Vorstellungen zur Bahnpolitik in Kurzform dargestellt. Sie können diese Broschüre unter folgendem Link herunterladen: http://old.gruene-bundestag.de/cms/publikationen/dokbin/276/276040.broschuere_bahnpolitik.pdf

Weitere Informationen finden Sie unter www.gruene-bundestag.de >> Themen >> Verkehr.

Mit freundlichen Grüßen
Katja Keul

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