Wie kommt es nach Ihrer Einschätzung zur mangelhaften Regulierung der Qualität von Corona-Schnelltests? Gibt es in betrügerischen Fällen bereits eine strafrechtliche Verfolgung?
Sehr geehrte Frau Vogler,
ich wende mich an Sie in Ihrer Funktion als Mitglied des Gesundheitsausschusses. Eine aktuelle Untersuchung des PEI kommt zum Ergebnis, dass die meisten Corona-Schnelltests, die als Selbsttests aber z. T. auch in Testzentren verwendet werden, von mangelhafter Qualität sind, während einige Tests sehr gut abschneiden. Die Verlässlichkeit dieser Tests sind aber nicht nur ein Verbraucherschutzthema (was wichtig genug wäre) sondern auch von immenser gesundheitspolitischer Bedeutung.
1. Wie kommt es Ihrer Ansicht nach dazu, dass bisher keine angemessene Regulierung der Qualität dieser Tests stattfindet?
2. Für einige dieser Tests weist das PEI eine segmentübergreifende Sensitivität von 0,0% aus. Stimmen Sie zu, dass es sich bei der Vermarktung dieser Tests um Betrug und fahrlässige Körperverletzung handelt?
3. Sind mit diesen Fällen nach Ihrem Kenntnisstand gegenwärtig Staatsanwälte befasst?
Sehr geehrter Herr E.,
Schnelltests und Selbsttests sind ein sehr wichtiges Instrument, um Infektionen mit dem neuartigen Corona-Virus zu entdecken. Die Debatte um 2G-, 2Gplus- und 3G-Voraussetzungen für Freizeit, Arbeit und gesellschaftliches Leben kann nicht sinnvoll geführt werden, ohne die Aussagefähigkeit der verwendeten Schnelltests einzubeziehen. Das Paul Ehrlich Institut (PEI) hat zusammen mit anderen Institutionen in der EU zugelassene COVID-19-Antigen-Schnelltests auf ihre Fähigkeit untersucht, das SARS-CoV2-Virus nachzuweisen. Viele Tests erfüllten nicht die geforderten Kriterien. Die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Tests unterscheidet sich aber auch sonst enorm. Zudem ist fraglich, ob die Einhaltung der Mindestkriterien unter realen Bedingungen ein ausreichend sicheres Testergebnis gewährleistet und wie die Einhaltung unabhängig überprüft wird.
Es ist sehr gut, dass die Schnell- und Selbsttests endlich einmal unabhängig untersucht wurden. Angesichts der Spannbreite in der Leistungsfähigkeit dieser Tests ist es allerdings fragwürdig, auf welcher Grundlage diese Test zugelassen wurden. Insbesondere ist es hochproblematisch, dass die Kund*innen, die Selbsttests kaufen oder die in Testzentren Schnelltests machen lassen, keine Information darüber haben, wie gut die von ihnen gekauften oder im Testzentrum genutzten Tests Infektionen erkennen.
Politisch ist die Bundesregierung gefordert, sicherzustellen, dass die Bevölkerung Zugang zu zuverlässigen Tests erhält, die insbesondere auch die jetzt dominierende Omikron-Variante möglichst zuverlässig anzeigen. Es ist für mich unbegreiflich, dass die Herstellerangaben nie unabhängig überprüft wurden. Das war vielleicht in der ersten Welle bis Sommer 2020 noch verzeihlich aufgrund der neuen Situation. Doch nun waren und sind nach wie vor untaugliche Antigen-Tests im Handel. Menschen werden hier in Sicherheit gewiegt, obwohl sie infektiös sind. Gerade vorsichtige Menschen werden so gegen ihren eigenen Willen zu Überträger*innen. Das ist nicht hinnehmbar. Nicht hinnehmbar ist auch, dass nun die Steuerzahler*innen für die Überprüfung der Tests aufkommen, obwohl dies normalerweise etwa bei Arzneimitteln und Medizinprodukten die Hersteller tun müssen. Nicht zuletzt werden nach unserer Kenntnis auch keine Hersteller belangt, die untaugliche Tests in Verkehr gebracht haben.
Dieses Desaster ist eine Folge der extrem herstellerfreundlichen Zulassungsregelungen für Medizinprodukte. DIE LINKE hat seit vielen Jahren gefordert, dass für die Zulassung von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika endlich aussagefähige klinische Studien vorgelegt werden müssen. Weil das von der Regierung aber nicht umgesetzt wurde, fehlten dann zum Beginn der Pandemie Verfahren und Infrastruktur, sodass die Bundesregierung mit dem Schnellzulassungsverfahren Scheunentore für Fehler und Betrug aufgemacht hat. Es bleibt unklar, ob unter diesen Bedingungen vorsätzliches Handeln überhaupt nachvollziehbar ist. So oder so war es wie bei den Testzentren sicher ein einträgliches Geschäft. Dabei hätte es mit der epidemischen Lage von nationaler Tragweite sogar die Möglichkeit gegeben, die Preise zu regulieren. Doch darauf hat die Bundesregierung verzichtet und stattdessen auf die Marktkräfte vertraut.
Mit freundlichen Grüßen
Kathrin Vogler