Sind Sie für eine Impfpflicht?
Der Parteivorstand der LINKEN fordert in dem Beschluss „Corona gemeinsam besiegen – solidarische Notbremse jetzt!“ (https://www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/parteivorstand/parteivorstand/detail/corona-gemeinsam-besiegen-solidarische-notbremse-jetzt/) eine allgemeine Impfpflicht für Volljährige.
Teilen Sie diese Forderung des Parteivorstandes? Falls ja, wie soll nach Ihrer Meinung so eine Impfpflicht durchgesetzt werden? Soll es Geldstrafen geben (die hauptsächlich die arme Bevölkerung treffen, auch wenn die Strafen nach Einkommen gestaffelt sind)? Soll es im Falle einer Weigerung, sich impfen zu lassen, Gefängnisstrafen geben? Soll es im Falle einer Weigerung, die Geldstrafe zu zahlen, zu Gefängnisstrafen kommen? Sollen die Polizei oder das Militär die Unwilligen zum Impfen bringen? Soll es Berufsverbote geben, falls eine Impfung verweigert wird?
Falls Sie die Forderung des Parteivorstandes nicht teilen, begründen Sie bitte Ihre Ablehnung.
Sehr geehrter Herr S.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, die mir die Möglichkeit gibt, meine Position noch einmal genauer zu begründen.
Nach meiner Meinung ist völlig klar, dass wir kurz- und mittelfristig die Wahl haben werden zwischen einer deutlich höheren Impfquote oder schwerwiegenden Grundrechtseinschränkungen zur Kontaktreduktion, die auch in der fünften und sechsten Welle wieder notwendig werden, oder einer Überlastung des Gesundheitssystems, die dazu führen wird, dass Menschen elendig auf Krankenhausparkplätzen krepieren. Vor dieser Entscheidung stehen wir, darum lässt sich nicht herumdiskutieren.
Die Debatte um eine Impfpflicht als Antwort auf diese Situation wird sicherlich nicht versachlicht dadurch, dass Horrorszenarien über gewaltsame Zwangsimpfungen verbreitet werden. Sicherlich ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass jetzt immer wieder die Analogie zum Streit um die Einführung einer Gurtpflicht beim Autofahren gezogen wird. Diese Gurtpflicht wird nicht dadurch durchgesetzt, dass Polizei oder Bundeswehr, um in Ihrem Bild zu bleiben, Gurtpflichtverweigerer zwangsweise anschnallen würden.
Wenn die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Impfpflicht vorlegt, werde ich sehr genau prüfen, ob die dann vorgeschlagenen Sanktionen geeignet und verhältnismäßig sind. Die Grundrechtseinschränkung, die eine Impfpflicht bedeutet, ist dabei abzuwägen gegen die Grundrechtseinschränkungen, die wir jeden Tag erleben, weil wir mit der derzeit geringen Impfquote die Pandemie nicht in den Griff bekommen. Und denken Sie dabei bitte nicht nur an Maskentragen, Testen, Nachweispflichten, abgesagte Veranstaltungen und geschlossene Kultureinrichtungen. Berücksichtigen Sie bitte auch, dass die Kontaktbeschränkungen und Schutzmaßnahmen nicht alle Menschen gleich betreffen. Inzwischen haben wir z.B. ganze Jahrgänge von Schülerinnen und Schülern, die Schule nur noch als Ausnahmezustand erleben. Von den psychischen Erkrankungen einmal ganz abgesehen.
Gemessen an den kurz-, mittel- und langfristigen Folgen der anderen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie erscheint mir die Einschränkung eher gering, sich einer nachweislich risikoarmen Impfung unterziehen zu müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Kathrin Vogler