Frage an Kathrin Vogler von Klara W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Vogler,
Millionen deutsche Bürger will man anschreiben, dass sie Spender sind, wenn sie nicht Nein sagen.
Es gibt sehr viele, die per Brief nicht ansprechbar sind, z.B Obdachlose, Notquartierbewohner, Weltreisende, Krankenhauspatienten, (Arbeits-)Auswanderer, etc. und deswegen nicht Nein sagen können.
Es gibt sehr viele, die diesen Brief nicht verstehen und somit nicht Nein sagen können, weil sie geistig behindert/geistesschwach oder demenzkrank sind und als solche noch nicht begutachtet und registriert wurden.
Es gibt sehr viele, die unter Betreuung stehen und die für sich selbst aus Rechtsgründen nicht Nein sagen dürfen.
Und es gibt unglaublich viele, die der Brief nicht erreicht, weil er beim Absender und/oder auf dem Transportweg und/oder beim Empfänger verloren geht/verschwindet.
Wie hoch schätzen Sie die Zahl der Personen, die deswegen nicht Nein sagen können und durch die Widerspruchslösung zwangsweise zum Körperspender werden?
Der Bürger soll Nein sagen können, indem er dies einer Stelle unter einer Post-/Internetadresse mitteilt.
Niemand kann garantieren, dass sein Nein als Nein bei dieser Stelle ankommt und/oder als Nein dort registriert/gespeichert wird und nur von ihm selbst - manipulationssicher - verändert/gelöscht werden kann.
Wie hoch schätzen Sie die Zahl der Personen, die deswegen nicht Nein sagen können und durch die Widerspruchslösung zwangsweise zum Körperspender werden?
Ein Bevollmächtigter ruft die Daten eines Gehirntoten beim Register ab und sieht das Häcken, das bei Nein steht, aus Gründen einer optischen Täuschung, Augenblickversagens, Unkonzentriertheit etc. bei Ja stehen, und macht ihn zum Körperspender.
Wie hoch schätzen Sie die Zahl der Personen, die deswegen nicht Nein sagen können und durch die Widerspruchslösung zwangsweise zum Körperspender werden?
Wie hoch schätzen Sie die Zahl aller Personen, die aus irgendwelchen Gründen nicht Nein sagen können, obwohl sie es verzweifelt versucht haben?
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Waldmann,
herzlichen Dank für Ihre Nachricht!
Viele der von Ihnen in Ihrem Schreiben aufgeworfenen Fragen beziehen sich auf die Widerspruchsregelung von Jens Spahn und Karl Lauterbach, welche diese als Gesetzesantrag eingebracht haben. Mit Ihrer Kritik an deren Vorhaben sollten Sie sich insofern auch an Herrn Spahn und an Herrn Lauterbauch wenden. Schätzungen in diesem Kontext vermag ich nicht vornehmen.
Ich hingegen gehöre einer interfraktionellen Gruppe an, welche diese Widerspruchsreglung ausdrücklich ablehnt und daher einen alternativen Gesetzesentwurf zur "Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende" vorgelegt hat.
Was schlagen wir alternativ zur Widerspruchsregelung vor?
Durch die Novelle des Transplantationsgesetzes (TPG) vom Januar wird sich auch nach unserer Einschätzung die Anzahl der Transplantationen erhöhen. Doch darüber hinaus gibt es weitere Potentiale und um diese zu nutzen, schlagen wir ein eigenes Gesetz vor, um auch die Zahl der Menschen mit Organspendeausweis von derzeit ca. 34% weiter zu erhöhen.
Unsere Vorschläge im Einzelnen:
Die im TPG angelegte Möglichkeit eines Registers, in dem die Organspendebereitsschaft gespeichert werden könnte, wollen wir durch ein staatliches Register verpflichtend umsetzen. Dieses soll bei einer Bundesbehörde angesiedelt werden. Zusätzlich zum bekannten Organspendeausweis soll durch ein online-basiertes Verfahren, bei dem alle Datenschutzbestimmungen eingehalten werden, ein niedrigschwelliger Zugang für einen Eintrag in das Register geschaffen werden.
Bei Kontakten zu den Meldebehörden (inkl. EU- und Nicht-EU-Bürger*innen) könnten Informationsmaterialien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ausgehändigt und die Möglichkeit einer Entscheidung und Registrierung eröffnet werden.
Menschen, die sich nicht online registrieren können oder wollen können nach wie vor den klassischen Organspendeausweis ausfüllen und bei sich tragen oder alternativ in einer Patientenverfügung ihre Entscheidung festlegen.
Das Thema Organspende soll Teil der ärztlichen Ausbildung werden. Ärzt*innen sollen ihre Patient*innen ergebnisoffen beraten können und dafür eine eigene Abrechnungsziffer erhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Kathrin Vogler MdB