Frage an Kathrin Vogler von Albrecht H. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Vogler,
wie ich der Pressemitteilung der Partei DIE LINKE vom 19.10.2016 entnehme haben Sie dort zum Thema „EuGH-Urteil bedroht Arzneimittelsicherheit und flächendeckende wohnortnahe Versorgung“ die Abschaffung des Versandhandels mit Arzneimitteln gefordert.
Ich wohne in einem kleinen Ort in Baden-Württemberg an der Grenze zu Bayern. Der Ort hat ca. 500 Einwohner. Einmal in der Woche kommt der Allgemeinarzt und hält eine Sprechstunde ab. Die Rezepte die er austellt muss man jedoch im Hauptort abholen der 10 km entfernt ist, dorthin besteht jedoch keine Verbindung mit dem Öffentlichen Nahverkehr. Durch meine Krankheit darf ich jedoch nicht „autofahren“. Im Ort gibt es jedoch eine Post-Agentur, wo ich mein Rezept an einen Versandhändler schicken kann und so meine rezeptpflichtigen Medikamente rechtzeitig bekomme.
Dazu habe ich jetzt folgende Frage(n):
Wie stellen Sie sich die Versorgung von mir mit Arzneimitteln vor, wenn es keinen Versandhandel mehr geben soll – wie Sie es fordern?
Dieser Ort und diese Konstellation ist keine Ausnahme. In Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklemburg-Vorpommern finden sich noch viele solche Kombinationen.
Bringen Sie die Medikamente diesen Patienten dann persönlich vorbei?
Pro Packung Fertig Arzneimittel bekommen die Apotheken einen gewissen Aufschlag auf den normalen Verkaufspreis, in diesem Preis ist auch die Beratung enthalten. Nur die Beratung erledigt bei Fertig Arzneimitteln schon der Arzt, der das Medikament verschreibt. Wie rechtfertigen Sie hier, dass die Apotheker hier Geld für eine Leistung bekommen, die Sie nicht erfüllen?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen
Albrecht Heer
Sehr geehrter Herr Heer,
insbesondere für Menschen wie Sie, die in sehr abgelegenen Gebieten leben, in denen der Weg zur nächsten Apotheke unzumutbar weit ist, hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass die Versorgung mit Arzneimitteln über eine Rezeptsammelstelle erfolgen darf. Dabei gibt der Patient sein Rezept in einen Briefkasten in der Nähe der Arztpraxis und die Apotheke liefert die Arzneimittel direkt nach Hause – häufig am selben oder darauffolgenden Tag. Diese Versorgungsform muss allerdings von der Apotheke beantragt werden und unterliegt - zum Schutz der Patientinnen und Patienten - gewissen Regularien: Da bei der Abgabe der Verordnung über eine Rezeptsammelstelle natürlich keine persönliche Beratung erfolgen kann, ist vorgesehen, dass die Auslieferung durch pharmazeutisch geschultes Personal erfolgt, die die notwendige Beratung übernimmt.
Diese Regelung gewährleistet auch in dünn besiedelten Regionen eine Versorgung, die schneller und patientenorientierter ist als der Versandhandel. Übrigens wird im Gegensatz zum Versandhandel eine bloße telefonische Beratung dabei als nicht ausreichend angesehen, weil dies nicht mehr in "unmittelbaren Zusammenhang" mit der Auslieferung erfolgt. Denn auch bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln kann ein Beratungsbedarf bestehen. In der Regel haben die behandelnden Ärztinnen und Ärzte keinen vollständigen Überblick über sämtliche Arzneimittel haben, die die Patientinnen und Patienten zu sich nehmen und bei denen es in der Kombination zu unerwünschten Wechselwirkungen kommen kann. Darum gehören Medikamente in die Apotheke und nicht in den Pakettransporter.
Übrigens bieten die meisten niedergelassenen Apotheken ohnehin einen Lieferdienst an - Sie geben telefonisch oder per Fax die Rezeptdaten durch und dann kommt eine Mitarbeiterin bei Ihnen zuhause vorbei und bringt die nötigen Medikamente.
DIE LINKE spricht sich schon lange für ein Versandverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel aus. Wenn sich der Versandhandel die Rosinen (also die chronisch Kranken mit teuren Medikamenten und geringem Beratungsaufwand) herauspickt, dann fehlt dieser Teil des Umsatzes insbesondere den kleinen Apotheken im ländlichen Raum. Diese brauchen aber eine Zukunft, um auch bei akuten Erkrankungen eine Arzneimittelbelieferung garantieren zu können. Zudem sind für eine gute Beratung der persönliche Kontakt und die zwischenmenschliche Kommunikation notwendig, um Schäden durch falsche Arzneimitteleinnahme zu vermeiden. Der internationale Versandhandel kann keine Versorgung rund um die Uhr garantieren und keine umfassende Beratung und Kooperation mit den Ärztinnen und Ärzten vor Ort bieten - das kann nur eine Apotheke vor Ort.
Nicht ohne Grund ist der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten in drei von vier EU-Ländern nicht erlaubt.
Unser Ansatz als LINKE zur Belebung des ländlichen Raums ist nicht, alles aus der Ferne liefern zu lassen, sondern mit Buslinien Mobilität zu ermöglichen, mit mobilen Arztpraxen und Rezeptsammelstellen die Gesundheitsversorgung vor Ort und die ländliche Infrastruktur zu stärken, damit nicht noch mehr Menschen in die Städte abwandern. Ich lebe selbst in einer ländlichen Region und ärgere mich darüber, wie schlecht die Verkehrsverbindungen gerade in die Dörfer sind.
Ich wünsche Ihnen und Ihrem Dorf alles Gute und grüße Sie freundlich.
Ihre Kathrin Vogler