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Kathrin Vogler
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Frage von Birgit S. •

Frage an Kathrin Vogler von Birgit S. bezüglich Wirtschaft

Frau Vogler,

Sie haben am 29.09.2011 im Bundestag über die Erweiterung des EFSF - eine der schicksalhaftesten Entscheidungen für unser Land - abgestimmt. Laut Panorama Sendung vom 29.09.2011 waren Sie aber vor der Abstimmung nicht in der Lage, die Höhe des Anteils Deutschland an den Kreditbürgschaften zu benennen.

Nun möchte ich gerne wissen, wie Sie, Frau Vogler, in der Lage sind, über ein Thema ihre Stimme abzugeben, dessen Inhalt Sie nicht kennen. Denken Sie nicht, dass es Ihre Pflicht uns Bürgern/Bürgerinnen und unserem Land gegenüber ist, sich vor solch einer historischen Abstimmung kundig zu machen?

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Sehr geehrte Frau Stöger,

natürlich fragen Sie sich zu Recht, ob Abgeordnete, die nicht auf Anhieb die genauen Summen des EFSF-Pakets nennen können, in der Lage sind, verantwortlich über solche Beträge zu entscheiden. Ich will mich da gar nicht herausreden, natürlich hätte ich das genauer wissen müssen. Aber ich will zumindest versuchen, es zu erklären. Die Abgeordneten im Deutschen Bundestag müssen in jeder Sitzungswoche eine Reihe von Themen bearbeiten. Ich bin schwerpunktmäßig für Gesundheits- und Friedenspolitik zuständig. In der letzten Sitzungswoche hatte ich von Montag bis Mittwochmittag, als mich die Journalisten befragten, bereits zwei Obleutegespräche, eine öffentliche Veranstaltung, eine Fraktionssitzung, eine Arbeitskreissitzung, eine Ausschusssitzung, ein Gespräch mit Gästen aus Sri Lanka und eine Anhörung hinter mir, vor mir lagen zwei weitere Anhörungen. Das bedeutet: ständiges Umschalten von einem Thema aufs andere, von Information zu Bewertung, von Detailfragen zum "großen Ganzen".

Das bedeutet, dass wir in aller Regel nur die Informationen aufnehmen und speichern können, die für unsere Entscheidungen in der einen oder anderen Frage relevant sind. Für mich war beim EFSF nicht die Frage, ob es 100, 211 oder 400 Milliarden Bürgschaften sind, das relevante Kriterium, sondern die möglichen Folgen: Dieser Schirm schützt nicht die Menschen und die Staaten vor der Spekulation und den Wucherzinsen, sondern in erster Linie die Banken, die Versicherungskonzerne und deren Aktionäre vor Verlusten. Die Milliardensummen, über die wir zu entscheiden hatten, sind abstrakte Größen. Niemand weiß, ob sie überhaupt zur Auszahlung gelangen oder ob sie auch nur annähernd ausreichen werden. Aber das Verarmungsprogramm, dem sich Griechenland unterwerfen muss, um überhaupt Kredite zu erhalten, das betrifft konkrete Menschen. Etwa die Beschäftigten, deren Löhne sinken und die Rentnerinnen und Rentner, die weniger Rente beziehen werden. Die Verzweiflung einer Rentnerin, die nicht weiß, ob sie ihre Miete noch zahlen kann oder einer Erzieherin, die nicht weiß, ob sie ihren Job behält, die sind für mich keine abstrakten Größen. Das ist der Maßstab, an dem ich meine Entscheidungen ausrichte.

Deswegen fühle ich mich sehr wohl in der Lage, meine Ablehnung des Antrags der Bundesregierung zu begründen, auch wenn ich die exakten Ziffern mal nicht "auf dem Schirm" hatte.

Mit freundlichen Grüßen

Kathrin Vogler, MdB

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