Frage an Kathrin Vogler von Constanze W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Vogler,
im Zuge der Abstimmung über das sog. AMNOG wurde am 11.11.2010 die gänzliche Abschaffung der Anwendbarkeit des nationalen Kartellrechts nach GWB für einen Großteil der kleinen und mittelständigen Leistungserbringer im Gesundheitswesen beschlossen.Pflegedienste, Physiotherapeuten, Orthopädie-Techniker, Logopäden, Ergotherapeuten, etc., werden ab 01.01.2011 der Marktmacht und Willkür der mächtigen gesetzlichen Krankenkassen endgültig schutzlos ausgeliefert sein. Auf Beschluss des 14. Ausschusses vom 10.11.2010 (BT/ Drs. 17/3698) wurde § 69 Abs. 2 SGB V in letzter Minute neugefasst. Im Ergebnis führt diese Neufassung zu einem völligen Ausschluss der Anwendbarkeit der kartellrechtlichen Vorschriften des GWB für nicht verkammerte Leistungserbringer in weiten Bereichen des Gesundheitswesens. Eine nachvollziehbare Begründung für die Änderung des § 69 Abs. 2 SGB V gibt es .
Die auf den ersten Blick erfolgte Ausweitung des Anwendungsbereichs des Kartellrechts in der gänderten Fassung des § 69 Abs. 2 SGB V n.F. bei gleichzeitiger Zuweisung von kartellrechtlichen Streitigkeiten zur ordentlichen Gerichtsbarkeit durch § 51 SGG n.F. wird durch die Streichung des 2. Halbsatz in § 69 SGB V a.F. ("...und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt") pervertiert, ins Gegenteil verkehrt und stellt sich damit als reine Augenwischerei dar.Die Schiedsamtsregelung in § 69 Abs. 2 SGB V a.F. nimmt auf § 89 SGB V Bezug, weshalb es nach der bisherigen Fassung für alle nicht verkammerten und daher besonders schutzwürdigen Leistungserbringer (Pflegedienste, Physiotherapeuten etc., etc.) möglich war, sich auf die Normen des GWB zu stützen. Dies ist nun nicht mehr möglich.
Was ist der Hintergrund der Änderung und wie stellen Sie sich den Schutz der Grundrechte aus Art. 2, 3, 12, 14 und 19 IV GG für kleinere und nicht verkammerte Leistungserbringer im Gesundheitswesen ab 01.01.2011 konkret vor?
Mit freundlichen Grüßen
C. Westphal
Justiziarin
Sehr geehrte Frau Westphal,
vielen Dank für Ihre Zuschrift, in der Sie nach den Hintergründen der im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) erfolgten gesetzlichen Neuregelungen zur Anwendbarkeit kartellrechtlicher Vorschriften fragen.
Vorneweg: Der Gesetzentwurf und auch die von Ihnen angesprochenen Änderungsanträgen wurden von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebracht. Daher müssen Sie Hintergründe und Motivation der entsprechenden Gesetzesänderungen besser bei diesen direkt erfragen.
DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass alle Menschen eine umfassende gesundheitliche Versorgung erhalten können. Ein gutes Gesundheitssystem muss dazu nicht nur sämtliche medizinisch erforderlichen Leistungen finanziell absichern, sondern auch für die Beschäftigten, die Leistungsanbieterinnen und Leistungsanbieter Bedingungen schaffen, die eine gute Versorgung für die Patientinnen und Patienten überhaupt erst ermöglichen. Dazu sind faire Vertragsbedingungen herzustellen, die aber nicht zwangsläufig im GWB geregelt werden müssen.
Für DIE LINKE bleibt zentral: Patientinnen und Patienten sind keine Kunden, Gesundheit ist keine Ware! Darum darf das Gesundheitssystem kein „Markt“ sein, der nach den Regeln des Wettbewerbs und des Wettbewerbsrechts gestaltet ist.
Dies stellt den politischen Rahmen dar für Positionierung und die Initiativen der Fraktion DIE LINKE. Unter diesen Gesichtspunkten werden wir auch die Auswirkungen der im AMNOG vorgenommenen Neuregelungen intensiv beobachten und ggf. notwendige Änderungen anregen und anstreben.
Mit freundlichen Grüßen
Kathrin Vogler, MdB