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Kathrin Senger-Schäfer
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Frage von Jürgen M. •

Frage an Kathrin Senger-Schäfer von Jürgen M. bezüglich Finanzen

was gedenken Sie dagegen zu tun, dass die Regierung sich über Beschlüsse des Bundestages hinwegsetzt, bzw. sogar Rechtsbruch begeht, indem die Unabhängigkeit der EZB aufgegeben wird, Staatsanleihen europ. Schuldensaaten aufgekauft werden und eine Haftungs.- und Transfergemeinschaft eingerichtet wurde??
Über eine aussagekräftige Antwort einer Volksvertreterin freue ich mich.

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Antwort von
DIE LINKE

Vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich gerne ausführlicher antworten möchte.

In der Eurokrise zeigt sich, dass die neoliberalen Rezepte, die von den letzten Bundesregierungen angewendet worden sind, nicht greifen. Im Gegenteil, Deutschland, Europa und die Welt schlittern von einer Krise in die nächste. Es kommt also auf eine grundlegende Wende in der Wirtschafts-, Sozial-, Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik an.
Das Versagen der Märkte und der Politik ist eklatant. Das Beispiel, das Sie gewählt haben, ist ein wichtiges Symptom der Systemkrise, aber leider eines unter vielen. Die Unabhängigkeit der EZB wurde aus meiner Sicht aufgegeben, weil es keine Instrumente für ein koordiniertes Handeln der Euro-Staaten gibt. Das ist schlimm genug, noch schlimmer ist allerdings, dass Deutschland in Europa bei der möglichen Schaffung solcher Instrumente auf die Bremse tritt. Als DIE LINKE 1998 auf die Gefahren einer Binnenwährung ohne koordinierte Wirtschafts- und Sozialpolitik in der EU hinwies, verhallten diese Bedenken ungehört und die vier anderen Fraktionen – offenbar der Meinung, dass alle Voraussetzungen vorlägen – beschlossen, dass keine weiteren Maßnahmen notwendig seien. So wurde übersehen, dass mit der Binnenwährung EURO auch ein Binnenmarkt entstand. Mit diesem Binnenmarkt wurde der Status Deutschlands als Exportweltmeister eine Gefahr für die Euro-Zone. Schließlich gibt es dann streng genommen keinen Export mehr, da man mit der Währung einen Binnenmarkt bekommt. Es würde schließlich auch keiner auf die Idee kommen, von einem Export aus Bayern nach Schleswig-Holstein zu sprechen. Die Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands machten Portugal, Italien, Spanien, Griechenland und andere zu Schuldnern. Wo es Überschüsse gibt, gibt es eben auch Defizite. Deutschland sollte sich bewusst machen, dass es in der Krise sehr viel mehr Täter ist als Opfer.

Die Finanz- und Schuldenkrisen sind das Resultat einer gewaltigen Umverteilung von Unten nach Oben. Die aufgrund verfehlter Sozialpolitik dauerhaft sinkenden Löhne in Deutschland machen unsere Wirtschaft zwar konkurrenzfähig, setzen aber andere Länder unter Druck, die darauf nicht mehr mit der Abwertung ihrer Währung reagieren können. Gleichzeitig führt ein Steigen der Gewinnquote zu einem Anschwellen der Geldvermögensblase auf den Finanzmärkten. Der Verzicht auf eine Kooperation der Euro-Staaten in Sachen Steuer-, Wirtschafts-, Sozial-, und Finanzpolitik führt zu Verwerfungen im Euro-Raum. Eine Stärkung unserer eigenen Binnenwirtschaft ist angesichts steigender Armut in Deutschland nicht nur moralisch geboten, sie ist auch ein Akt internationaler Solidarität geworden.

Sie sagen völlig zu Recht, dass mit dem Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB eine Haftungsgemeinschaft hergestellt worden ist. Dieses Vorgehen ist von niemandem genehmigt worden, was die Frage aufwirft, ob es sich hierbei um einen besonders umfangreichen Fall von Untreue handelt. Die EZB tat dies auch, weil es der Europäische Stabilitätsmechanismus nicht darf. Die jetzige Praxis führt zu der grotesken Situation, dass die EZB günstiges Geld zur Verfügung stellt, die Privatbanken es aufnehmen und zu einem vielfachen des EZB-Zinssatzes an die Schuldner-Länder weitergeben. Hier muss eine Entkoppelung stattfinden. Wir brauchen also die Einrichtung einer Europäischen Bank für öffentliche Anleihen zur kostengünstigen und finanzmarktunabhängigen Staatsfinanzierung. Das würde auch die EZB entlasten und ihre Unabhängigkeit an diesem Punkt wieder herstellen. Wir brauchen aber auch die Einführung von Eurobonds. Diese können kurzfristig eine Atempause schaffen, ihre Wirksamkeit ist allerdings durch das bisherige Verhindern ihrer Einführung gesunken. Die Spekulation gegen einzelne Eurostaaten werden sie nicht aufhalten können, da mögliche Spekulationsgewinne auch nach Einführung weiter sehr hoch ausfallen werden.

Die Finanzierung der öffentlichen Haushalte muss endlich vom Kopf auf die Füße gestellt werden, indem sie aus der Abhängigkeit der Kapitalmärkte befreit werden. Gegenüber den Kapitalmärkten müssen die Euro-Staaten geschlossen auftreten, der Schuldenstand ist durch eine Beteiligung der Banken und privaten Gläubiger auf ein nachhaltiges Niveau zu senken.

Eines zum Schluss. Sie schreiben, dass sich die Bundesregierung über Beschlüsse des Bundestages hinwegsetzt. Eigentlich müsste man es noch schärfer formulieren: die Bundesregierung entmachtet den Bundestag und das leider auch noch mit dessen Zustimmung; gegen die Stimmen der LINKEN! Schon mit dem Soffin wurde einem kleinen Gremium die Entscheidungsgewalt über 480 Mrd. € gegeben, ohne dass das Parlament noch irgendetwas dazu sagen könnte. Jede Einschränkung des Budgetrechts des Parlaments ist ein Angriff auf die Demokratie. Daher lehnt DIE LINKE den Europäischen Stabilitätsmechanismus in seiner geplanten Form ab.

Mit freundlichen Grüßen,

Kathrin Senger-Schäfer, MdB