Frage an Katharina Dröge von Frank-Philipp W. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Dröge
danke für Ihren heutigen Beitrag in der BTD zu CETA.
Warum lehnen Sie allerdings die Schiedsgerichte und die dort einklagbaren Tatbestände nicht generell alleine schon aufgrund von unternehmerisches Risiko ab (durch was die Gewinne vs Arbeitnehmergehälter begründet wird) ? Welcher vergleichbare Vorteil hätte denn 1 Staat von solche einer Regelung ausser, dass Unternehmen davon profitieren zu Lasten der Steuerzahler?
MfG W.
Sehr geehrter Herr Wolfer,
vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch nach meiner Haltung zu Schiedsgerichten und Investitionsschutz in Handelsabkommen. Ich freue mich, dass Ihnen meine Rede im Parlament gefallen hat.
Sogenannte Investor-Staat-Schiedsverfahren oder ein Investitionsgerichtssystem (ICS) sehen Klageprivilegien für Konzerne vor. Wir wollen nicht, dass demokratisch beschlossene Gesetze wie etwa der Atomausstieg oder Regeln für Aufdrucke auf Zigarettenpackungen dadurch unterlaufen werden. Für solche Verfahren gibt es keine Begründung.
Die zugrunde liegenden Investitionsschutzverträge garantieren Rechte für Investoren, aber treffen keine Regelungen zu Pflichten. Sie eröffnen einen zusätzlichen Rechtsweg - den zu den internationalen Schiedsgerichten - der anderen Personen oder auch Staaten nicht zusteht. So privilegieren sie ausländische gegenüber inländischen Investoren und anderen gesellschaftlichen Gruppen, die keine Klageberechtigung vor den Schiedsgerichten haben. Das führt zu einer Ungleichbehandlung bei der Rechtsdurchsetzung.
Investor-Staat-Schiedsverfahren schaffen eine Parallelstruktur zum nationalen Recht, indem es weder einen Vorrang des nationalen Rechtsweges gibt, noch jemals ein nationales Gericht mit dem Rechtsstreit befasst gewesen sein muss. Zudem sind die zugrunde liegenden Investitionsschutzverträge einseitig auf den Schutz von Investitionen ausgerichtet. Eine ausreichende Abwägung mit anderen Rechtsgütern wie etwa Umweltschutz oder Sozialstandards erfolgt nicht. Die Schadensersatzsummen sind nicht auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte begrenzt. Auch die konkrete Ausgestaltung der Schiedsgerichte ist problematisch. Hierzu gehören hohe Verfahrenskosten, die sich oftmals nur Großkonzerne leisten können, mangelnde Transparenz der Verfahren, die Abwesenheit einer Berufungsinstanz und mangelnde Unabhängigkeit der Schiedsrichter*innen.
Das heißt nicht, dass es keine Streitbeilegungsmechanismen für Handelsabkommen geben soll. Handels- und Investitionsschutzabkommen enthalten aber in aller Regel bereits einen Staat-Staat-Streitschlichtungsmechanismus. Trotz Reformbedarf dieses Instruments ist es ein effektives Mittel, um zugesicherte Rechte für Investoren durchzusetzen. In einem Rechtsstaat wie Deutschland genießen Unternehmen einen hohen Rechtsschutz für ihre Investitionen. Riskante Investitionen im Ausland können Investoren bereits jetzt mit öffentlichen Investitionsgarantien absichern, auch in Fällen, in denen Investoren nicht vor privaten Schiedsgerichten klagen könnten. Wir wollen das System öffentlicher Investitionsgarantien nach sozialen und ökologischen Kriterien reformieren, grundsätzlich bietet es zusätzlichen Schutz für Unternehmen.
Wir fordern einen multilateralen ständigen Gerichtshof unter dem Dach der Vereinten Nationen, vor dem Betroffene gegen die Verletzung menschenrechtlicher, sozialer und umweltrelevanter Verpflichtungen durch transnationale Unternehmen klagen können, statt privater Schiedsgerichte nur für ausländische Investoren. Grundlage des Handelsgerichtshofes müssen auch international vereinbarte soziale, menschenrechtliche, Umwelt- und Klimarelevante völkerrechtliche Verpflichtungen sein. Der Vorschlag der EU-Kommission für einen multilateralen Investitionsgerichtshof (MIC) erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
Mit freundlichen Grüßen,
Katharina Dröge