Frage an Katharina Dröge von Jens T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dröge,
in Brüssel gibt es schätzungsweise 20.000 Lobbyisten. Im EU-Parlament sind Sie 751 Abgeordnete. Ich habe von Abgeordneten gehört, die neben ihrer Arbeit für das EU-Parlament gleichzeitig auch Lobbyarbeit betrieben haben. Auch wird häufig davon berichtet, dass Gesetze nicht von Politikern gemacht werden, sondern schon in großen Konzernen vorgeschrieben werden, um dann von der Politik nur noch abgenickt zu werden. Bei einer solchen Beeinflussung durch mächtige Interessenvertreter der Wirtschaft stelle ich es mir sehr schwierig vor ausgewogene Entscheidungen für die Bürger und ihre Wähler zu treffen.
Werden Sie von Lobbyisten beraten? Wenn ja zu welchen Themen und aus welchem Hintergrund kommen diese Interessenvertreter?
Wie anfällig für eine solche Beeinflussung halten Sie sich? Schützen Sie sich dagegen?
Wie gewährleisten Sie, dass Sie auch andere Meinungen zur Entscheidungsfindung hören? Wo arbeiten Sie z.B. mit NGO´s oder anderen Vereinen ohne kommerzielle Interessen zusammen?
Dann würde mich auch interessieren, wie es es persönlich empfinden, dass EU-Parlament von Lobbyisten überrannt wird?
Sehen Sie eine Gefahr darin? Was denken Sie halten die Menschen von der EU, wenn Sie ständig von Beschlüssen erfahren, die wirtschaftlichen Interessen vor die Interessen der BürgerInnen stellen?
Ich freue mich auf Ihre Antworten.
Schönen Gruß
Jens Tippkötter
Sehr geehrter Herr Tippkötter,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Lobbyisten und Ihr Interesse an meiner parlamentarischen Arbeit.
Um eine ausgewogene Entscheidung zu treffen und eine politische Debatte im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu führen ist es unerlässlich, unterschiedliche Sichtweisen auf ein Thema anzuhören und in den Meinungsbildungsprozess einzubeziehen. In meiner parlamentarischen Arbeit tausche ich mich daher immer wieder mit Experten aus unterschiedlichsten Kontexten und ohne kommerziellen Hintergrund aus. Nur so ist es möglich, die nötigen Hintergrundinformationen zu bekommen, um eine tiefergehende Debatte über Themen zu führen und die Oppositionsarbeit konstruktiv zu gestalten.
Nichtsdestotrotz stellt Lobbyismus auch ein Problem dar - in Brüssel wie in Berlin. Dass Vertreter von Verbänden und Interessensgruppen zum Teil unbegrenzten Zugang zu Parlamentariern haben und als nicht legitimierte "fünfte Gewalt" maßgeblichen Einfluss auf die Arbeit der Legislative und Exekutive nehmen ist in der heutigen Form oft so nicht hinnehmbar. Dadurch kann sich die Grenze zwischen Informationsbeschaffung und Interessensvertretung einerseits und Korruption andererseits verschieben und unsere demokratischen Grundprinzipien werden unterwandert. Aus diesem Grund fordern wir Grünen im Bundestag ein verbindliches Register von Lobbyisten ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/039/1803920.pdf ); diese Forderung unterstütze ich auch auf EU-Ebene. Ein solches verbindliches und öffentliches Register soll die Tätigkeit von Lobbyisten im Bereich von Bundesregierung und Deutschem Bundestag erfassen und nicht nur definieren, bei wem es sich um einen Interessensvertreter handelt sondern auch Daten zu den entsprechenden Auftraggebern und Auftraggeberinnen von Lobbyisten und Lobbyistinnen enthalten, sowie u.a. zu den finanziellen Aufwendungen, die Lobbyistinnen und Lobbyisten bzw. hinter ihnen stehende Unternehmen, Vereinigungen und sonstige Institutionen in die Interessenvertretung investieren. Außerdem soll es eine Kennzeichnung der Mitwirkung von Lobbyistinnen und Lobbyisten in den für das Parlament bestimmten Vorlagen der Exekutive geben. Dadurch soll Lobbytätigkeit im politischen Bereich für die Öffentlichkeit transparenter und generell stärker reglementiert werden. Gleichzeitig sollen alle Interessengruppen - unabhängig von der finanziellen Ausstattung - die gleichen Zugangsmöglichkeiten zu Abgeordneten und zur Exekutive haben.
Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte und bedanke mich ausdrücklich für Ihr Interesse.
Mit freundlichen Grüßen,
Katharina Dröge