Wo soll die stark steigende Staatsverschuldung hinführen?
Lieber Herr H.,
vielen Dank für Ihre Nachfrage zur Staatsverschuldung, deren Entwicklung Sie offensichtlich beunruhigt.
Mit einem Schuldenstand von rund 65% des BIP steht Deutschland im internationalen Vergleich gut da. In Kanada liegt die Verschuldung bei über 100%, in den USA bei über 120% und in Japan sogar bei über 260 Prozent, ohne dass diese Länder wirtschaftlich gefährdet wären (Vgl. Destatis).
Im März 2023 wurden für den Bund (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung) 65,9 Mrd. Euro an Krediten aufgenommen. Gleichzeitig wurden 27,2 Mrd. Euro an fälligen Krediten getilgt (Vgl. BMF Monatsbericht April 2023). Auch in den Jahren davor hat der Staat mehr neue Schulden aufnehmen müssen als üblich. Grund dafür waren die enormen zusätzlichen Belastungen für viele Unternehmen und weite Teile der Bevölkerung aufgrund der Corona-Pandemie und den Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Mit den zusätzlich aufgenommenen Mitteln konnten Hilfs- und Entlastungspakete für die Wirtschaft und Bevölkerung geschnürt werden. Sie haben einen wertvollen Beitrag dazu geleistet, dass Deutschland wirtschaftlich gut durch die Corona-Krise gekommen ist und auch die wirtschaftlichen Aussichten für das Jahr 2023 besser sind als noch im Herbst erwartet (Vgl. https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2023/01/20230125-jahreswirtschaftsbericht-2023-wohlstand-erneuern.html).
Das zeigt: staatliche Schulden sind nicht per se problematisch. Anders als bei privaten Haushalten muss der Staat die Schulden nicht in absehbarer Zeit zurückzahlen. Solange regelmäßige Einnahmen für den Staat bestehen und die Ausgaben nicht überwiegen, gerät ein Staat nicht in Zahlungsschwierigkeiten. Wichtig ist, dass die staatlich aufgenommenen Mittel nachhaltig ausgegeben werden, also in Dinge investiert werden, die künftigen Wohlstand und eine gute Zukunft sichern.
Wie ein zu kurzsichtiges Verhalten und unter anderem das Spardiktat der schwarzen Null in den letzten CDU-geführten Regierungen Wohlstand und Zukunft gefährden können, mussten wir nach Ausbruch des Ukrainekriegs schmerzlich erleben: Fehlende Investitionen in den Ausbau der erneuerbaren Energien haben uns stark abhängig von russischem Gas und Öl gemacht, fehlende Investitionen in die Bundeswehr haben unsere Verteidigungsfähigkeit geschwächt. Beides kommt uns allen nun teuer zu stehen. Gleiches lässt sich leider über unsere Infrastruktur sagen: Zu viele Brücken sind marode, zu viele Schulen ebenso. Dieses Jahrzehnt müsste ein Jahrzehnt der Investitionen in unseren Standort und unsere Zukunftsfähigkeit sein.
Denn: Ja, Schulden sind - gerade im Hinblick auf die steigenden Zinsen - eine Belastung für zukünftige Generationen, aber mindestens genauso problematisch sind ausbleibende Investitionen , da sie die Chance auf Zukunft und Teilhabe aushöhlen. Das gilt auch für fehlende Investitionen in den Klimaschutz, Bildung, Erziehung und in die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft. Deswegen braucht es die richtige Balance: Es ist richtig, dass es in Deutschland die Regeln der Schuldenbremse gibt, die dafür sorgen, dass es nicht zu einer exzessiven Verschuldung kommt. Und wir müssen uns überlegen, wie wir an den richtige Stellen - beispielsweise mit dem Abbau umweltschädlicher Subventionen - an der richtigen Stelle sparen können. Gleichzeitig brauchen wir Investitionen in Bildung, Innovationen und Forschung sowie Maßnahmen zum Klimaschutz, um unseren zukünftigen Wohlstand zu sichern - und damit unsere Fähigkeit Schulden zu bedienen. Deswegen bin ich dafür - wie wir Grünen es auch im Wahlkampf gefordert haben - die Schuldenbremse um eine Investitionsregel zu ergänzen.
Ich habe mich gefreut, dass Sie sich an mich gewandt haben und hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen kann. Der Austausch mit Bürger*Innen ist mir wichtig und kostbar. Wenn Sie regelmäßig über meine Arbeit in Hamburg und Berlin informiert werden möchten, können Sie sich gerne hier für meinen Newsletter anmelden.
Herzliche Grüße
Katharina Beck