Frage an Katarina Barley von Wolfgang M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Das EU-Parlament ist undemokratisch zusammengesetzt. Die Bürger in den verschiedenen Staaten haben ein verschieden starkes Stimmrecht. Je kleiner das Land ist, desto höher ist das Stimmrecht. Gemessen an der Bevölkerung stünden Deutschland 121 Sitze im EU-Parlament zu, es hat aber nur 95 Sitze. Gemessen an der Bevölkerung stünden Malta aufgerundet 1 Sitz zu, es hat aber 6 Sitze. Gemessen an den Wahlberechtigten müsste Deutschland wahrscheinlich noch mehr Sitze haben, weil die Bevölkerung in Deutschland relativ alt ist.
Würden Sie und die SPD sich für eine demokratische Aufteilung der Sitze im EU-Parlament einsetzen? Aus meiner Sicht ist das EU-Parlament bei der aktuellen Aufteilung demokratisch nicht legitimiert.
W. M.
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Frage.
Für die SPD und mich ist das Europäische Parlament ist der zentrale Ort für die Vertretung der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union. Eine Änderung der nationalen Sitzkontingente streben wir derzeit nicht an.
Es ist unser Anliegen, eine europäische Öffentlichkeit zu schaffen und die europäische Demokratie mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen zu stärken:
Mit echten europäischen Spitzenkandidatinnen und –kandidaten sollen die Wählerinnen und Wähler einfacher erfahren können, welche Partei im Europäischen Parlament für welche Inhalte steht. Dazu leistet der pointierte politische Wettstreit der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten um das Amt der Kommissionspräsidentin bzw. des Kommissionspräsidenten einen wichtigen Beitrag.
Europawahlen sind zurzeit 28 nationale Wahlen. Indem wir europäische Wahllisten einführen, wollen wir, dass europäische Spitzenkandidatinnen und -kandidaten nicht nur in ihren Mitgliedsstaaten gewählt werden dürfen, wie es heute der Fall ist, sondern in allen Mitgliedsstaaten. Dafür wollen wir transnationale Listen bei der Europawahl und ein Zweistimmenwahlsystem einführen: Eine Stimme entfällt auf eine transnationale Liste, die von den europäischen Spitzenkandidatinnen oder Spitzenkandidaten angeführt wird, die sich um die Präsidentschaft der Europäischen Kommission bewerben. Mit der anderen Stimme werden wie bisher die Kandidatinnen und Kandidaten auf der nationalen Liste für das Europäische Parlament gewählt.
Mit einem Gesetzesinitiativerecht des Europäischen Parlaments wollen wir, dass die europäischen Volksvertreterinnen und Volksvertreter endlich selbst Initiativen für Gesetzesvorhaben starten können. Bisher beschränkt sich das Initiativrecht des Europäischen Parlaments auf die Möglichkeit, die Kommission zur Vorlage eines Vorschlags aufzufordern. Nur die Europäische Kommission hat das Recht, EU-Gesetzesvorschläge auf den Weg zu bringen.
Mit einem Untersuchungs- und Kontrollrecht des Europäischen Parlaments setzen wir uns für die Einführung eines gestärkten Untersuchungsrechts für das Europäische Parlament ein. Untersuchungsausschüsse müssen insbesondere die Möglichkeit erhalten, Personen vorzuladen, damit das Parlament Missstände besser aufarbeiten und die Exekutive wirksamer kontrollieren kann. Die Instrumente des Europäischen Parlaments, einzelne Kommissionsmitglieder während der gesamten Dauer ihrer Amtszeit zur Rechenschaft zu ziehen, sollten verbessert werden. Bei grobem Fehlverhalten sollte das Europäische Parlament nicht nur der gesamten Kommission, sondern auch einzelnen Mitgliedern mit qualifizierter Mehrheit das Misstrauen aussprechen können.
Wir wollen mehr Transparenz durch ein verbindliches Lobbyregister für alle EU-Institutionen. In Europa gibt es lange Transparenz darüber, welche Verbände, Firmen und Vereine versuchen, ihren Einfluss im Europäischen Parlament geltend zu machen. Dieses Transparenzniveau wollen wir für alle EU-Institutionen. Damit wollen wir auch Vorbild sein für Regelungen in den Mitgliedsstaaten.
Indem wir außerdem das Mehrheitsprinzip bei allen Entscheidungen im EU-Ministerrat verstärken, kann Europa an vielen Stellen noch zu deutlich schnelleren und effizienteren Entscheidungen kommen. Zu oft gilt noch das Prinzip der Einstimmigkeit. Dadurch wird die Handlungsfähigkeit Europas gelähmt. Künftig sollen wichtige Gesetzgebungen nicht mehr durch einzelne Mitgliedsstaaten blockiert werden können.
Die SPD will zudem, dass in Gesetzgebungsverfahren mehr auf die europäische Zivilgesellschaft gehört wird. Dafür werden wir im europäischen Gesetzgebungsprozess zivilgesellschaftlichen Akteuren wie Vereinen, NGOs, Jugendringen und -verbänden, Projekten und Initiativen eine transparente und chancengleiche Einbindung ermöglichen. Uns geht es um einen gleichberechtigten Dialog aller Partner und Partnerinnen.
Mit freundlichen Grüßen
Katarina Barley, MdB