Frage an Karsten Fischer von Robert P. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Fischer,
um Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen, in Niedriglohnbereichen, in Arbeits- und Erwerbslosigkeit, oder in sozial geschwächten Bevölkerungsgruppen ein dauerhaftes und menschenwürdiges Dasein zu gewähren, muss ein Bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden. Eine Entkopplung von Arbeit und Erwerb ist zwingend insbesondere für die o.g. Bevölkerungsschichten erforderlich.
Wie stehen Sie zum Bedingungslosen Grundeinkommen?
Mit freundlichen Grüßen
Robert Philipp
Sehr geehrter Herr Philipp,
vielen Dank für Ihre Frage.
Gestatten Sie mir, Ihnen zweierlei zu Antworten: das bedingungslose Grundeinkommen ist, aus humanistischer Sicht, der nächste logische Schritt in der Entwicklung unserer Gesellschaft; es ist aber nicht die Antwort auf die gegenwärtigen Probleme in der Gesellschaft. Eine Verknüpfung von sozialer Schieflage und Grundeinkommen schwächt die Argumentation der Befürworter.
Wie aus Dr. Evelyn Forgets bisher recht spärlichen Verlautbarungen hervorgeht, hatte die Einführung der negativen Einkommensteuer in Dauphin, Kanada, von 1974-1977 allem Anschein nach erhebliche positive Auswirkungen auf das Bildungsniveau der Einwohner sowie deren allgemeinen Gesundheitszustand. Auch scheint die Ansicht der Gegner dieses Experiments sich nicht bewahrheitet zu haben: ein fulminanter Rückgang der Arbeitswilligkeit ist nicht beobachtet worden.
Eine sofortige Einführung halte ich angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung hierzulande innerhalb der letzten Jahre doch für problematisch; das Credo „Jeder ist sich selbst der Nächste“ verträgt sich meines Erachtens nach damit in keiner Weise, zumal inzwischen eine ganze Generation diese Ellbogenmentalität bereits mit der Muttermilch aufgesogen hat.
Als Schritte auf dem Weg dorthin ist als erstes der massive Ausbau der Bildungseinrichtungen notwendig. Insbesondere für wirtschaftlich schwache Familien müssen wir Frühförderung flächendeckend verfügbar machen. Gleichzeitig eine allmähliche Anpassung der Steuern, d.h. Erleichterungen für unterdurchschnittliche Einkommen und höhere Abgaben für Hoch- und Höchsteinkommen, sowie – und dies ist der wichtigste Teil – eine Abkehr von der Einzelkämpfermentalität.
Ein Scheitern der Bemühungen um die Einführung eines Grundeinkommens zum jetzigen Zeitpunkt würde die tatsächliche Einführung – die für uns unabdingbar ist, wollen wir als Gesellschaft nicht an den steigenden sozialen Spannungen zugrunde gehen – wesentlich verzögern. Der Widerstand gegen die Einführung ist noch zu hoch und ich möchte doch noch in diesem Leben eine Gesellschaft sehen, die ihre sozialen Spannungen überwunden hat; in der die Reichtümer einiger weniger nicht durch die Arbeit vieler gemehrt werden – wobei die Letzteren noch nicht einmal davon leben können.
Aus diesen genannten Gründen halte ich eine sofortige Einführung für nicht zielführend, da uns als Gesellschaft die Grundlagen dafür abhanden gekommen sind. Mittelfristig, also innerhalb der nächsten 20 Jahre, ist dies eine Notwendigkeit, damit wir als Gesellschaft in den kommenden Jahrzehnten überleben können.
Mit freundlichen Grüßen,
Karsten Fischer