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Karoline Linnert
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Frage von Günter O. •

Frage an Karoline Linnert von Günter O. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Linnert!

Ich bin 2015 als stellvertretender Sprecher der DozentInnen an der Wirtschafts- und Sozialakademie (WiSoAk) in Bremen gewählt worden.
Meine Anfrage bezieht sich auf die zahlreichen Bremer Freiberufler, die in Bildung, Wissenschaft und Kultur tätig sind (Volkshochschule, Wirtschafts- und Sozialakademie, Musikschule, Musikhochschule, Universität usw.).
Diese KollegInnen sind hochqualifiziert, ohne sie würden die genannten Einrichtungen, darunter einige Eigenbetriebe der Stadt Bremen, überhaupt nicht funktionieren. Die Honorare sind unangemessen niedrig und seit Jahren, in manchen Fällen seit drei Jahrzehnten, von der allgemeinen Entwicklung der Einkommen, der Lebenshaltungskosten, der Kosten für Energieversorgung usw. vollkommen abgekoppelt.
Die bisherigen Bemühungen um Mindestlöhne sind an diesem Personenkreis völlig vorbeigegangen. Aber zunehmend mehr KollegInnen leben ausschließlich von solchen Tätigkeiten; sie können immer weniger eine auskömmliche Rente ansparen und steuern geradewegs auf Altersarmut zu. Sie haben keinerlei gesetzlich festgelegte Vertretungsrechte in den Institutionen, für sie sie arbeiten (meist sind das mehrere Institutionen nebeneinander).
Frage: Was werden Sie an diesem Zustand ändern, wenn Sie in die Bremische Bürgerschaft gewählt werden?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Orendi,

Sie haben Recht, die Honorare für hochqualifizierte DozentInnen im Bremer Fort- und Weiterbildungsbereich (VHS, WiSoAk), in der Kultur (Musikschule) und in der Wissenschaft (Musikhochschule und Universität) sind knapp bemessen.

Knapp ist die Situation vor allem für diejenigen DozentInnen, die ausschließlich ihr Einkommen aus freiberuflicher Tätigkeit erzielen. Von der VHS ist mir bekannt, dass dies grob geschätzt für etwa ein Drittel der DozentInnen gilt, ungefähr zwei Drittel bieten Kurse und Seminare nebenberuflich an, können also auch noch auf ein anderes Einkommen zurückgreifen.

Auch im Öffentlichen Dienst habe ich zu Beginn meiner Amtszeit prekäre Beschäftigungsverhältnisse, wie Ein-Euro-Jobs und unbezahlte Praktika, Verträge mit Zwangsteilzeit, Werkverträge und Verträge mit „sachgrundloser Befristung“ vorgefunden. Als Finanzsenatorin zuständig für den öffentlichen Dienst in Bremen habe ich mich um das Problem dieser prekären Beschäftigungsverhältnisse gekümmert und im Oktober 2014 zusammen mit Bürgermeister Böhrnsen und dem Gesamtpersonalrat die „Bremer Erklärung zu fairen Beschäftigungsbedingungen“ unterzeichnet. Ungesicherten bzw. schlecht oder gar nicht bezahlten Beschäftigungsverhältnissen wollen wir mit der erwähnten Erklärung zu fairen Beschäftigungsbedingungen etwas entgegen setzten. Wertschätzung, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und faire Arbeitsbedingungen stehen im Zentrum der Vereinbarung. Denn der öffentliche Dienst hat eine Vorbildfunktion als Arbeitgeber. Dank unserem Einsatz war Bremen übrigens das erste Bundesland mit einem Landesmindestlohngesetz, noch bevor auf Bundesebene der Mindestlohn durchgesetzt war.

Universität und Musikhochschule bekommen aus dem Landesetat konsumtive Mittel, über die sie jeweils autonom entscheiden und aus denen sie ihre Personalkosten bestreiten. Bei der WiSoAk verhält es sich etwas anders: Sie bekommt als anerkannter Weiterbildungsträger Landeszuschüsse aus dem Bildungsressort. Die Honorarordnung richtet sich nach dem Weiterbildungsgesetz. Das geht von einem Honrar von 18 Euro pro Unterrichtsstunde (45 Minuten) aus. Im Übrigen schreibt das Weiterbildungsgesetz auch ein Mitbestimmungsgremium vor, das an der WiSoAk in Form des Akademierates einberufen werden kann. Soweit ich verstanden habe, liegt dies allerdings im Zuständigkeitsbereich der DozentInnen und TeilnehmerInnen, den Rat einzuberufen.

Was die Vertretungsrechte an der Volkshochschule angeht, so ist der KursleiterInnen-Rat von der Direktorin der VHS, Frau Dr. Schoefer, wieder eingesetzt worden.
Die Volkshochschule und die Musikschule sind kommunale Eigenbetriebe. Eigenbetriebe der Freien Hansestadt Bremen sind wirtschaftlich und organisatorisch selbständige Einheiten zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Sie zeichnen sich insbesondere durch eine eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung und Wirtschaftsführung aus. Das bedeutet konkret, dass die VHS und die Musikschule jeweils aus dem kommunalen Haushalt unter anderem einen Personalkostenzuschuss bekommen, mit dem sie eigenständig wirtschaften müssen. Der Personalkostenzuschuss der Kommune an die VHS Bremen ist seit dem Jahr 2008 von rund 2,2, Mio. Euro um etwa ein Viertel auf rund 2,7 Mio. Euro gestiegen.
Aus diesem Personalkostenzuschuss und den Kursgebühren werden die Honorare für DozentInnen bezahlt.Das Problem der knappen Bezahlung von rund 20-25 Euro pro 45 Minuten Unterricht ist bekannt. Es ist leider auch kein Bremer Problem.

Die Hamburger Volkshochschulen versuchen dieser Schwierigkeit zu begegnen, indem sie die Kursgebühren erhöht haben. Ob das auch eine Bremer Option sein kann, müsste man gründlich durchdenken, zumal das herausragende Merkmal der Volkshochschule und auch der WiSoAk ist, dass sie Kurse für Menschen auch mit niedrigerem Einkommen anbieten. Das bedeutet, dass eine Kurs- bzw. Seminargebührenerhöhung Grenzen hat. Von der Leitung der Bremer Volkshochschule weiß ich, dass sie derzeit einen bundesweiten Benchmark erstellt, um gangbare Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Diese werden Grundlage für politische Entscheidungen in der nächsten Legislaturperiode sein.

Mit freundlichen Grüßen,

Karoline Linnert