Frage an Karl Schultheis von Viktor G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schultheis,
wie stehen Sie zu dem Thema Multifunktions-TV/-Geräte = Nutzer des ö.-r. Rundfunks?
Die Begründung mit dem Verbreitungsgrad von Rundfunkgeräten im Haushalt, stammt aus einer Zeit, mit fast ausschließlich ö.-r. Progr.-angeboten. Diese Begründung ist heute längst überholt, weil große Teile der Bevölkerung sich heute anders informieren und auf bestimmte Quellen zugunsten anderer verzichten oder bewusst Quellen meiden.
Die mobile Nutzung wird, in den meisten Fällen, nicht für ö.-r. Inhalte verwendet. Durch die Zunahme der nicht ö.-r. Angebote verringert sich % die Nutzung der überdimensionierten 90 ö.-r. Progr. Die Gruppen der Wohnungsinhaber, die nur Privat-Radio-Hörer, nur Privat-/ Pay-TV/Auslandssender Zuschauer sind, die das TV-Gerät als Bildschirm für DVD/Blu-ray, YouTube, … Filme/ Fotos/Spiele und anderes nutzen, Pers. die Bücher, Zeitungen, Zeitschriften und das Internet zur Information nutzen und die keinerlei Bezug zum ö.-r. Rundfunk haben oder diesen ablehnen werden in einen sachfremden Topf "Nutzer des ö.-r. Rundfunks" geworfen. Die freiheitliche Selbstbestimmung durch nicht abgerufene ö.-r. Programme Geld einzusparen wird jedem genommen und die freiheitliche Selbstbestimmung, Handlungsfreiheit, Eigentum (Geld) und Würde verletzt.
Die fehlende Sachgerechtigkeit wird noch dadurch unterstrichen, dass die Schaffung eines Abgabentatbestands, der namentlich wegen des Verbreitungsgrads mobiler Empfangsgeräte an das Innehaben einer immobilen Wohnung anknüpft, ohnedies unheilbar widersprüchlich ist.
Immer mehr Zuschauer laufen dem ÖRR davon:
http://www.dwdl.de/magazin/46323/das_zdf_licht_und_schatten_auf_dem_lerchenberg/
Wieso reichen nicht 40 statt aktuell ca. 90 ö.-r. Programme für 21 Mio. € PRO TAG aus?
Die SWR Umfrage http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,4826.0.html zeigt, was die Bürger von der Rundfunkreform und dem -Beitrag halten.
Warum setzen Sie den Willen der Bürger nicht um?
MfG
Grund
Sehr geehrter Herr/Frau Grund,
ich danke Ihnen für Ihr Schreiben vom 21.06.2014. .
Sie hinterfragen, warum Menschen, die ausschließlich Radio hören bzw. auf öffentlich-rechtliche Angebote verzichten wollen, den vollen Rundfunkbeitrag zahlen müssen und empfinden den Zwangsbeitrag grundsätzlich sowie das Innehaben einer Wohnung als Berechnungsgrundlage im privaten Bereich als unangemessen und sehen darin einen Eingriff in die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen. Gerne erläutere ich Ihnen daher nachfolgend die Rechtsgrundlagen und Hintergründe zum neuen Rundfunkbeitrag.
Die Regelungen zur Gebührenbefreiung sind rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere verstoßen sie nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, der den Vergleich von Lebensverhältnissen verlangt, die nicht in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sein können. Grundsätzlich ist es Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche von diesen Elementen er als maßgebend für eine Gleich - bzw. Ungleichbehandlung ansieht. Insbesondere auf dem Gebiet des Sozialrechts ist dem Gesetzgeber eine besonders weite Gestaltungsfreiheit eingeräumt, deren Grenzen vorliegend unter verfassungsrechtlichen Aspekten nicht überschritten werden.
Bei der einheitlichen Beitragspflicht für jede Wohnung handelt es sich nicht um eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung wesensverschiedener Sachverhalte, sondern um eine erforderliche, zulässige und im Abgabenrecht übliche Typisierung.
Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestätigt, dass der Gesetzgeber bei der Regelung von Massenvorgängen des Wirtschaftslebens – wie eben der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – einen Typisierungsspielraum habe. Die Gesetze müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben abgabenrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen.
Denn nach der Rechtsprechung muss der Gesetzgeber bei Massenverfahren nicht jedem konkreten Einzelfall gerecht werden, sondern lediglich eine Typengerechtigkeit herstellen, um Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz zu genügen. Es ist dem Gesetzgeber im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums demnach gestattet, bei abgabenrechtlichen Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an den Regelfall angeknüpft wird und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Erst wenn mehr als zehn Prozent der Einzelfälle von der vom Gesetzgeber als typisch vorausgesetzten Annahme abweichen, sind die jeweiligen Regelungen rechtswidrig. Berücksichtigt man die Verbreitung von Rundfunkgeräten in nahezu allen privaten Wohnungen und nimmt die durch diverse Übertragungswege flächendeckend sichergestellte Möglichkeit des Empfangs von Rundfunk hinzu, so wird deutlich, dass die typisierende Annahme des Gesetzgebers weder tatsächlichen noch rechtlichen Bedenken begegnet.
Selbstverständlich bin ich mir bewusst, dass dieses Rechtsverständnis im Einzelfall oft schwer nachvollziehbar ist, insbesondere wenn Sie tatsächlich komplett auf öffentlich-rechtliche Rundfunkangebote verzichten. Gerne möchte ich aber auch für die Sicht des Gesetzgebers werben, der mit einer Gesetzgebung nicht alle Einzelfälle berücksichtigen kann und - in diesem Fall auch aus Kostengründen - bewusst nicht möchte. Die Alternative zu dieser vereinfachten Regelung (durch die die meisten Haushalte Geld sparen!) wäre eine Rückkehr zum alten System, in dem jedem möglichen Konsumenten des ö.-r. Rundfunks die Nutzung des selbigen erst einmal nachgewiesen werden musste. Meiner Erfahrung nach, selbstverständlich OHNE Ihnen dies zu unterstellen, war die Verführung zum Betrug im alten Beitragssystem extrem hoch, zugleich und v.a. deswegen waren auch die Kosten für die Überprüfung der Haushalte durch GEZ-Mitarbeiter nicht weiter vertretbar. Die neue Regelung ist eine kostengünstigere, effizientere Möglichkeit, das Geld, das dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk per Gesetz zusteht, bei den Konsumenten einzutreiben und nicht weiterhin ehrliche und unehrliche Zahler bzw. Zahlungsverweigerer gegeneinander auszuspielen. Ganz persönlich gesprochen habe ich mich als ehrlicher Zahler mit der alten Beitragsregelung stets sehr geärgert, wenn ich gehört habe, dass es quasi Volkssport war, die Zahlungen an die GEZ zu umgehen, indem beispielsweise auf Schreiben erst gar nicht geantwortet wurde oder der GEZ-Mitarbeiter nicht ins Haus gelassen werden musste.
Die neue Beitragsordnung ist effizienter, sicherer vor massenhaftem Betrug aber zugegeben in ihrem Einzelfall nicht unbedingt fairer. Doch meiner Meinung nach sollten wir an diesem System festhalten, wenn wir nicht zum alten Chaos im Beitragssystem zurückkehren wollen und erneut beginnen müssen, unzählige Einsprüche oder Zahlungsverweigerer zu überprüfen, von denen die wenigsten tatsächlich keine öffentlich-rechtlichen Programme nutzen, sondern es "einfach mal versuchen wollen", wie lange sich niemand über meinen fehlenden Beitrag beschwert. Wie gesagt: Selbstverständlich unterstelle ich Ihnen das nicht, möchte aber mit den vorangegangenen Zeilen für den Gesetzgeber werben, der hier eher das "große Ganze" im Auge haben muss als den Einzelfall.
Für weitere Hintergrundinformationen: www.rundfunkbeitrag.de
Freundliche Grüße und noch schöne und erholsame Sommerferien wünscht
Karl Schultheis MdL