Frage an Karl Schiewerling von Joseph H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Schiewerling,
am 29.10.2008 beantworteten Sie die Anfrage von Herrn Naumann bzgl. des Themas "direkte Demokratie".
Um in ihren Beispielen zu bleiben, ordne ich meine Fragen wiefolgt:
1. Wieso sind die Themen für das Volk zu komplex?
Bei jeder Kritik an der "Abgehobenheit" der Parlamentsmitglieder und auch nach jedem Skandal eines Politikers wird argumentiert, das Parlament sei ein Querschnitt der Bevölkerung. Wie passt das mit ihrer Aussage zusammen?
2. Ist es nicht einfacher, Repräsentanten zu beeinflussen (ggf. durch "Anreizsysteme"), als eine breite Masse?
3.Wieso funktioniert direkte Demokratie in der Schweiz?
Ist es wirklich so, dass die Anzahl der Einwohner ein kritischer Faktor sein kann?
Mit freundlichen Grüßen
Joseph Huber
Sehr geehrter Herr Huber,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch.
Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksabstimmungen halte ich auf der für den Bürger überschaubaren kommunalen Ebene und auf der Landesebene für sinnvoll und bin auch dafür, sie dort auszubauen. In einer Änderung des Grundgesetzes zur Einführung plebiszitärer Elemente auf Bundesebene sehe ich aber keinen Garanten für ein Mehr an Demokratie. Ein Plebiszit bringt die Notwendigkeit der Reduzierung komplexer Sachfragen auf bloße Ja-Nein-Alternativen mit sich. Gerade die Erfahrungen mit dem Europäischen Verfassungsvertrag zeigen außerdem, dass die an der Volksbefragung teilnehmenden EU-Bürger häufig nicht die gestellten Fragen beantworten, sondern politische Rechnungen begleichen, die mit dem Gegenstand des Referendums im Grunde nichts zu tun haben. Demgegenüber bin ich der Ansicht, dass das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren ein größeres Maß an Interessenausgleich und Kompromissperspektiven ermöglicht.
Ein Plebiszit ist gerade nicht das "demokratische Instrument des kleinen Mannes", als das es häufig dargestellt wird. Oftmals werden solche Entscheide von großen, finanzstarken Organisation in initiierten Kampagnen als Verhinderungsinstrumente - nicht als Gestaltungsinstrumente - genutzt. So besteht die Gefahr, dass engagierte Minderheiten einen großen Einfluss auf die Staatsgeschicke erhalten - ohne dass diese dafür dauerhaft in der Verantwortung stehen.
Auf ihre dritte Frage kann ich nur darauf verweisen, dass jedes Land ein anderes Demokratieverständnis besitzt. Dieses Verständnis ist eine Folge der Demokratieentwicklung eines jeden Landes. Aus den oben Genannten sehen sie, dass ich nicht der Auffassung bin, dass in Deutschland das schweizerische Modell erfolgreich wäre.
Mit freundlichen Grüßen
Karl Schiewerling