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Karl Schiewerling
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Frage von Hubertus W. •

Frage an Karl Schiewerling von Hubertus W. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Schiewerling,
lieber Karl,

unser Sohn Daniel (24 J mit Trisomie21) wohnt bei uns Zuhaus. Ihm wird nur die Regelstufe 3 Grundsicherung zugesprochen. Lt. Urteil sollte es die Stufe 1 sein!Drei Widerspruchsverfahren laufen! Hintergrund sind drei Urteile des Bundessozialgerichtes vom Juli 2014 AZ: B8 SO 14/13 R, B8 SO 12/13 R und B8 SO 31/12 R. Das BMAS untersagt per "Dekret” den deutschen Sozialleistungsträgern die vorläufige Umsetzung dieser Urteile.

Mit dem o.a. Urteil hatte das Bundessozialgericht eindeutig entschieden, dass volljährige Menschen mit einer Behinderung, die im elterlichen Haushalt oder in einer Wohngemeinschaft leben, einen Anspruch auf die Regelbedarfsstufe 1, also 100% Regelleistung, haben. Und nicht gem. den Anlagen zu § 28 SGB XII, bzw. Einteilungen nach § 8 RBEG (Regelbedarfsermittlungsgesetz) mit Bedarfsstufe 3 "abgefunden” werden können. Zu betonen ist, dass das BSG die Notwendigkeit sah, die vorgenannten Paragraphen verfassungskonform auszulegen. Es steht einem deutschen Bundesgericht durchaus zu, über die Verfassungskonformität von Gesetzen zu entscheiden. Denn es darf nicht vergessen werden, dass es in einer Demokratie die Rolle der Judikative (Gerichtsbarkeit) ist, sowohl die Legislative (Gesetzgebung), als auch die Exekutive (Verwaltung, ausführende Gewalt) zu kontrollieren.

Nunmehr ist das BMAS nach dem Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründungen hergegangen und hat eine Verwaltungsanweisung erlassen, mit der es allen Sozialleistungsträgern zumindest bis Ende März 2015 die Anwendung und Umsetzung dieses Urteils untersagt. Das ist ein einmaliger Vorgang in der deutschen Nachkriegsjustizgeschichte. Ein Ministerium gibt den ihm untergeordneten Behörden die Anweisung, ein Urteil eines deutschen Bundesgerichtes schlichtweg zu ignorieren.

Frage: Stimmst Du dem Ministerium bzw. Frau Nahles (Verbot der Umsetzung des Urteils) zu und wollen auch Sie die Umsetzung des Urteils verhindern?

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Antwort von
CDU

Lieber Hubertus,

vielen Dank für Deine Eingabe über „abgeordnetenwatche.de“.

Darin beziehst Du Dich auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom Sommer 2014 zur Regelbedarfsstufe 3 im SGB XII und kritisierst deren Umsetzung durch das Bundesarbeitsministeriums (BMAS). Zudem regst Du eine generell neue gesetzliche Regelung an.
Wie Du weißt, hat das Bundessozialgericht festgestellt, dass haushaltsangehörigen Personen im Rechtskreis des SGB XII nicht die Regelbedarfsstufe 3 sondern die Regelbedarfsstufe Stufe 1 zusteht.

Dazu möchte ich vorweg erklären, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Regelbedarfsstufen lediglich die wirtschaftliche Stellung der Person im Haushalt als maßgeblichen Gesichtspunkt im Blick gehabt hat. Das Vorliegen einer Behinderung dagegen war und ist kein Kriterium. So gilt die Regelbedarfsstufe 3 auch beispielsweise für ein Elternteil, das im Haushalt seiner Kinder aufgenommen wird.

Nach meinen Informationen hat das BMAS nach Bekanntwerden der Entscheidung eine Empfehlung im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung gegenüber den Ländern ausgesprochen. Diese sollten bis zum Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe die BSG-Urteile nicht auf vergleichbare Fälle übertragen. Dabei hat das BMAS den Ländern auch seine rechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken mitgeteilt. Aufgrund der erst fünf Monate später vom BSG veröffentlichten Urteilsgründe, konnte eine inhaltliche Prüfung erst ab Ende Dezember 2014 erfolgen. Das BMAS hat diese Begründungen ausführlich geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass weiterhin große rechtliche Bedenken bestehen. Dieses hat das Ministerium den Ländern am 16. Februar 2015 mitgeteilt und in Aussicht gestellt, bis spätestens Ende März 2015 eine abschließende Entscheidung zum Umgang mit den Urteilen zu treffen.

In der am 16. März 2015 erfolgten Entscheidung erkennt das BMAS die verfassungsrechtlichen Bedenken des BSG gegen die Regelbedarfsstufe 3 an. Deshalb erhalten die Betroffenen bis auf Weiteres höhere Leistungen, nämlich die nach Stufe 1. Die betroffenen Leistungsberechtigen werden finanziell also so gestellt, wie das BSG dies in seinen Urteilen entschieden hat. Gleichwohl obliegt es nur dem Bundesverfassungsgericht eine gesetzliche Regelung für verfassungswidrig zu erklären.

Lieber Hubertus, ich kann verstehen, dass schnellstmöglich eine gesetzliche Klarstellung gefordert wird. Allerdings kann die Regelbedarfsstufe 3 nicht isoliert gesehen werden. Stattdessen sind alle drei für Erwachsene geltenden Regelbedarfsstufen von den BSG-Urteilen zumindest mittelbar betroffen. Eine auf die Regelbedarfsstufe 3 begrenzte gesetzliche Änderung würde deshalb zusätzliche Verwerfungen –die wir auch im Blick haben müssen- verursachen.

Änderungen bei Regelbedarfen werden grundsätzlich nur aufgrund von belastbaren Daten vorgenommen. Diese Daten werden im zweiten Halbjahr 2015 im Rahmen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 zur Verfügung stehen. Auf dieser Grundlage wird eine neue Regelbedarfsermittlung durchgeführt. Eine Umsetzung des Urteils des BSG soll daher erst im Rahmen der nächsten Anpassung der Regelbedarfe für 2016 geklärt werden.

Finanziell gesehen führt die pauschale abweichende Regelsatzfestsetzung nach Anweisung des BMAS zu keinem Unterschied im Vergleich zu der sich bei einer wortlautgetreuen Umsetzung der BSG-Urteilen ergebenden Leistungshöhe. Ein zusätzlicher Antrag für einen Änderungsbescheid, der zu einem Regelsatz in Höhe von Regelbedarfsstufe 1 führt, soll nach Angaben des Ministeriums nicht erforderlich sein.

Ich hoffe, Dir mit meinen Ausführungen behilflich gewesen zu sein und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Dein Karl